Einen Radiergummi für Schreibmaschinen braucht heute kein Mensch mehr. Doch als fünfeinhalb Meter hohe, von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen entworfene Fiberglas-Skulptur ist der "Typewritter Eraser, Scale X" von 1999 natürlich hochwillkommen. Schräg steht der Riesenradierer mit monumental aufragenden Bürstenfasern in einem Wasserbassin, wie ein Windsurfer in voller Fahrt. Das Objekt weist zur Fassade des Norton Museum of Art in West Palm Beach, genauer: dem jüngst fertiggestellten Anbau von Norman Foster. 1941 wurde das von dem Sammler Ralph Norton (1875-1953) gegründete Museum eröffnet. Nun ist das Kerngebäude um 35 Prozent Ausstellungsfläche und einen 3500 Quadratmeter großen Garten erweitert worden.
Museumsdirektorin Hope Alswang steht in einem großzügigen, ebenfalls von Foster entworfenen Kuppelsaal und vergleicht das alte Museum mit einem "zwölf Jahre alten Volkswagen, den plötzlich jemand durch einen Lamborghini ausgetauscht" habe. Die scheidende Direktorin, die am 1. März die Leitung an Elliot Bostwick Davis (vormals Chefkuratorin am MFA Boston) abgibt, ist sichtlich stolz darauf, dass sie mit Norman Foster einen erstrangigen Architekten für das Neubauprojekt gewinnen konnte. Eine Woche vor der eigentlichen Eröffnung am 9. Februar durften die zahlreichen Sponsoren des Museums und einige Journalisten die aufgestockte Sammlung und den neuen architektonischen Rahmen in Augenschein nehmen.
100 Millionen Dollar hat das museale Facelifting gekostet. Zu den 12000 Quadratmetern neuer Ausstellungsfläche kommen noch Schulungsräume zur Weiterbildung, ein Restaurant und ein Auditorium mit 210 Sitzplätzen hinzu.
Erstmals haben sich Lord Norman und die Firma Foster + Partners auch um die Gartengestaltung gekümmert. Dazu haben sie den, neben dem "Typewriter Eraser", zweiten Museumswächter am Vorplatz raffiniert in die Architektur einbezogen. Ein 20 Meter hoher, auf weit aus dem Grund ragenden Wurzeln ruhender Banyanbaum schmiegt sich links vom Eingang an die Fassade. Speziell für die Krone des tropischen Baums wurde ein Halbkreis-Ausschnitt aus dem Museumsvordach ausgespart. Nur ein Beispiel für die Sorgfalt, mit der Foster die Übergänge zwischen Architektur, Landschaft und Vegetation gestaltet hat.
1935, ausgerechnet im Geburtsjahr des britischen Architekten, wurde der Banyanbaum gepflanzt. Ralph Norton plante damals bereits sein Museum und die angeschlossene Kunstschule. 1941 wurde der erste Bau unter dem Namen The Norton Gallery eröffnet. Im Lauf der Jahrzehnte wurde nicht nur die Sammlung aufgestockt, sondern auch die Architektur modifiziert, so lag der Eingang in den 90ern, um 90 Grad versetzt, im Süden. "Es ist enorm wichtig, den Museumsbesuchern Orientierung zu geben", sagt Norman Foster, der die West-Ost-Achse des von den neuen Raumschichten umfassten Urgebäudes rekonstruiert hat. Der Haupteingang liegt nun am Dixie Highway im Westen. Die alte Eingangstür an der Meerseite im Osten ist übrigens auch noch zu sehen.
An der Südkante des Foster-Baus verläuft ein neu angelegter Garten mit tropischen Pflanzen und Außenskulpturen. Zwei "Moonrise"-Köpfe von Ugo Rondinone lugen grinsend in den verglasten Südflügel des Anbaus hinein. Drinnen sind Neuanschaffungen zu sehen, zeitkritische Werke von Hank Willis Thomas oder Sam Durant sowie ein gewölbtes Kupferfragment der Freiheitsstatue, die Danh Vo für seine Serie "We The People" nachbauen ließ.
In die Vorfreude auf das neue Museum mischt sich in der Region Ärger über den Präsidenten, der wenige Tage vor der Eröffnung in sein nahegelegenes Florida-Domizil Mar-a-Lago eingeflogen wurde, um Golf zu spielen. Wenn Trump kommt, sind Straßen gesperrt - oder verstopft, weil seine Wagenkolonne die Route kreuzt. Verspätungen allerorten: Einige Sammler, die zugleich das Norton unterstützen, haben Journalisten in ihre randvoll mit Kunst bestückten Privathäuser eingeladen. Auch der Weg zu The Bunker, Beth Rudin DeWoodys imposantem Showroom voller erstklassiger Werke, zieht sich wegen Trumps Eskorte.
Bei DeWoodys Dinner trifft man neben Trustees und Museumsleuten auch Künstlerinnen wie Pae White - die einen Teppich mit Glitzerfolienmotiv für die Museums-Empfangshalle geschaffen hat - und die Künstlerin Nina Chanel Abney. "Neon" heißt die aktuelle Soloausstellung von Abney im Norton Museum - bereits die siebte Schau der Reihe "RAW - Recognition of Art by Women", mit der das Norton aktive Künstlerinnen vorstellt. Die schablonenhaften Figuren, die Abney auf ihre flächigen, starkfarbigen und großformatigen Gemälde setzt, sind hinsichtlich ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Herkunft mitunter nicht definierbar. Die Malerin erzählt von Rassismus und "gender inequality", zugleich entwirft sie reliefhafte Bildräume, in denen sich die Figuren - auch sexuelle - Freiheiten nehmen.
Es ist vor allem das Medium Malerei, mit dem das Norton Museum prunkt. Es mangelt nicht an herausragenden amerikanischen und europäischen Exponaten - vom Mittelalter über die klassische Moderne bis in die Gegenwartskunst. Was Installations- und Medienkunst angeht, gibt es in den kommenden Jahren noch viel zu tun.
Auch Skulpturen sind bisher nicht eben üppig vertreten. Um den eingangs erwähnten "Typewriter Eraser" hat sich Norman Foster übrigens selber bemüht. Der Besitzer der Oldenburg-Skulptur, Ronnie F. Heyman, soll das Werk dem Architekten zuliebe dem Museum geschenkt haben. Eine Sonderausstellung versammelt Skizzen von Norman Foster sowie Zeichnungen und alternative "Typewriter"-Versionen von Oldenburg und seiner Frau, der Bildhauerin und Kunsthistorikerin Coosje van Bruggen. Auch das weitere Norton-Eröffnungsprogramm kann sich sehen lassen, darunter eine Schau zur Geschichte des fotografischen Porträts und zur Fotografie ohne Kamera. Kurzum: Palm Beach ist nicht nur wegen des Klimas und der Strände eine Reise wert.