Tom Galle, Sie sind dafür bekannt, dass Sie Apple-Geräte scheinbar mutwillig zerstören oder überdreht einsetzen: MacBooks mit Selfie-Stick oder iPhone-Kartons als Sandalen. Wie reagieren Follower und Beobachter darauf?
Das ist mein Markenzeichen. Ich kritisiere selbstironisch das digitale Zeitalter. Humorvoll zeige ich, wie wir das Internet, soziale Medien und Technologie nutzen. Viele Menschen können sich mit den Gefühlen von Überforderung und Überaffirmation identifizieren. Es gibt eine interessante Dynamik zwischen der Überlastung durch Technologie und einer Zen-artigen Akzeptanz.
Sie hängen selbst den ganzen Tag an Ihrem iPhone, nehme ich an.
Das stimmt. Deshalb mache ich mich über mich selbst lustig. Wir alle kennen das. Lustigerweise musste ich früher selbst gebrauchte Geräte auf eBay für meine Arbeiten kaufen, irgendwann haben Leute angefangen, mir ihre kaputten oder aussortierten Apple-Produkte zu schicken.
Ihre Arbeiten gehen häufig viral. Darauf sind sie angelegt?
Ich kenne mein Publikum. Irgendwie weiß ich, dass es eine Reaktion geben wird. Ich weiß nur nicht, wie stark sie sein wird. Ich habe in einer Werbeagentur angefangen zu arbeiten, damals waren Netzkünstler wie Cory Arcangel groß. Dort habe ich gelernt, auf ein Publikum zu hören. Wenn man ein paar Arbeiten gemacht hat, die sich viral verbreiten, bekommt man ein Gefühl dafür, worauf Leute reagieren. Ohne den Hintergrund in der Werbebranche würde ich heute ganz andere Werke schaffen.
Sie kritisieren aber auch sehr deutlich die Werbeindustrie und große Unternehmen. Sie haben beispielsweise aus Logos Waffen gemacht, darunter Nike, McDonalds ...
... Mercedes, Facebook. Es ist lustig, dass gerade diese Arbeit von der Highsnobiety-Welt gefeiert wurde, also von einer Szene, die von Kooperationen mit großen Marken lebt.
Haben Sie etwas anderes erwartet?
Ich habe auf eine Rezeption gehofft, die die Kritik ernster nimmt. Ich habe daraus gelernt.
Was würden Sie anders machen?
Die Fotos sahen zu sehr nach Werbung aus, wie stock photos. Was natürlich zur starken Rezeption in den einschlägigen Medien beigetragen hat. Heute würde ich die Fotos weniger glossy machen und auf die Posen verzichten.
Sie sind hauptsächlich auf Instagram unterwegs. Was funktioniert dort für Sie am besten?
Je trockener der Humor, desto mehr mögen es die Leute.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie konstant produzieren und posten müssen, weil Ihre Follower auf neue Inhalte warten?
Zwei Jahre lang habe ich andauernd gepostet. Man muss originell bleiben. Man muss aber auch eine Stimme finden, ohne sich dem Druck zu beugen, Follower sammeln zu müssen. Man muss sich entscheiden: Macht man Kunst für ein Publikum oder macht man Kunst und das Publikum folgt oder folgt eben nicht? Wenn man sich selbst wiederholt, wird der Inhalt öde. Das ist es, was ich an einigen Künstlern nicht mag, die viel auf Instagram machen. Sie haben das Gefühl, ständig produzieren zu müssen. Also fangen sie an, sich selbst zu wiederholen und werden zu einem Gimmick.
Künstler wie Amalia Ulman, die mit ihrer Performance "Excellences & Perfections" auf sich aufmerksam gemacht hat, werden Instagram-Künstler/in genannt, weil sie dort sehr aktiv sind.
Mich würde das stören. Das klingt, als wäre ich mit einem Unternehmen verbunden. Ich schaffe visuelle Arbeiten, die für die sozialen Medien gemacht sind. Anfangs haben Netzkünstler Webseiten gemacht, davon sind sie weggekommen, weil niemand mehr Webseiten besucht. Die Leute sind heute auf Instagram unterwegs. Meine Arbeit reflektiert, wie Menschen das Internet nutzen. Also muss meine Arbeit so beschaffen sein, dass sie dazu passt, wie heute Kunst online gesehen wird. Als Blogs groß waren, waren es Blogs für mich. Ich folge Trends im Internet.
Was ist mit Post-Internet-Art?
Jeder macht heute irgendwas im Internet. Brauchen wir überhaupt noch solche Begriffe? Was ich für mich als Begriff gefunden habe, ist Meme-Künstler. Das ist der Aspekt der Internet-Kultur, mit dem ich spiele.
Haben Sie eigentlich eine Galerie, die Sie vertritt?
Nein, ich habe an ein paar Ausstellungen teilgenommen, eine Einzelausstellung gab es bisher nicht. Erst kürzlich haben Galerien angefangen Interesse zu zeigen, weil ich mehr Skulpturales wie das "Corp Gear" mache. Manchmal frage ich mich: Warum brauche ich eine Galerie, wenn mein Instagram diese Funktion übernehmen kann?
Sie verkaufen nicht direkt über Instagram, sondern setzen seit einigen Wochen auf Patreon. Die Crowdfunding-Plattform macht es Ihnen möglich, sich von Nutzern regelmäßig für Ihre Inhalte bezahlen zu lassen.
Menschen müssen lernen, für Inhalte im Internet zu bezahlen. Ich denke viel darüber nach, wie es sogenannten content creators möglich sein kann, außerhalb der Galeriewelt Geld zu verdienen. Außerdem haben meine Follower nicht unbedingt das nötige Geld, um sich hochpreisige Kunstwerke von mir zu kaufen. Also versuche ich, meinen Followern etwas anzubieten, gleichzeitig können sie mich schon mit kleinen Beträgen finanziell unterstützen. Das ist mit einem Dollar pro Monat möglich. Jeden Monat verschenke ich ein Kunstwerk. Auf einem zweiten Instagram-Account gibt es exklusive Inhalte für meine Unterstützer. Je mehr Unterstützung ich bekomme, desto mehr möchte ich zurückgeben. Häufig kritisiere ich mit meiner Arbeit den Kapitalismus. Es ist eine Geste, wenn Menschen selbst entscheiden, mich zu unterstützen. Das ist mir lieber als gesponserte Beiträge auf Instagram.
Sie sind kein Freund der Kunstwelt?
Ich war in der Werbebranche tätig und in der Startup-Szene. Leute, die in der Kunstwelt unterwegs sind, werden mit der Zeit pessimistisch. Was ich beobachte, scheint eine sehr elitäre Angelegenheit zu sein. In einer Galerie werden die Arbeiten nur von einer begrenzten Anzahl von Menschen in einem begrenzten Zeitraum gesehen. Im Internet kann ich auf die Meme-Kultur reagieren, alles ist viel spontaner und günstiger und man bekommt sofort Feedback. Ideal wäre für mich etwas dazwischen, etwas, das die Grenzen verschwimmen lässt. In der Zukunft würde ich gerne meine Werke vermehrt in Galerien zeigen. Mir ist es ziemlich egal, wenn Leute diskutieren, ob ich ein Künstler bin oder nicht.
Was ist für Sie ein Künstler?
Jemand, der kulturell relevante Arbeiten schafft. Wenn jemand Arbeiten macht, die nicht auch auf ein Leben im Internet zielen, ist kein Verständnis für die Kultur von heute vorhanden. Wenn jemand Arbeiten macht, die nur für eine Galerie gedacht sind und nicht auch für das Internet, wie kann man da noch behaupten, sich an Kultur zu beteiligen? Das Internet erzeugt einen Großteil der Kultur. Für mich sind oft Leute, die Memes machen, bessere Künstler als einige der Künstler, die in Galerien zu sehen sind. Sie kommentieren scharf und ultraschnell die Gegenwart. Das ist mein Verständnis der Rolle eines Künstlers.
Wie ist es mit Ihnen? Wer schreibt über Ihre Arbeiten?
Es gab einige Beiträge über mich in kunstnahen Publikationen. Wenn man Arbeiten schaffen und sich damit ernähren kann, wer braucht da noch ein Label von einer elitären Gruppe?
Tom Galles Instagram-Account und sein Tumblr