Es ist ungerecht: Manche haben den Erfolg abonniert, andere sind ewig auf der Suche, als gäbe es da irgendeinen Schlüssel, den sie nicht finden. Das gilt besonders in Berufen, bei denen traditionellerweise Kreativität gefordert ist, zum Beispiel bei Regisseuren, Künstlern und Wissenschaftlern.
Forscher aus Wien haben nun versucht, diesem flüchtigen Geheimnis auf die Spur zu kommen: Erfolge aus der Vergangenheit wirken sich auf die Erfolge der Gegenwart aus, hat Roberta Sinatra, Komplexitätsforscherin am Complexity Science Hub in Wien, herausgefunden. Die Wiener Wissenschaftler arbeiten bevorzugt mit Big Data, also großen Datenmengen, die digital ausgewertet und verglichen werden.
Die These: Leistungen von gestern bringen heute Aufmerksamkeit und schaffen mithin die Voraussetzungen für noch mehr Erfolge. Dafür untersuchten die Forscher Lebensläufe von 3480 Künstlern, 6233 Filmregisseuren und 20.040 Wissenschaftlern. Konsequenterweise müssten sich die Erfolge also irgendwann anhäufen. Um genau zu sein, irgendwann in der Mitte der Karriere.
Mit Recht kann man fragen, was Erfolg überhaupt bedeutet. Da sich die Wissenschaftler eine harte empirische Kategorie wünschen, haben die Komplexitätsforscher eine quantitative Bemessungsgrundlage gesucht: Bei Künstlern waren es die Preise der Werke, bei Regisseuren die Bewertungen in der "International Movie Database" und bei Wissenschaftlern die Zitationen ihre Arbeiten zehn Jahre nach der Veröffentlichung.
Das erklärt aber nicht, warum es manche Musiker genau einmal an die Spitze der Charts schaffen, dann vergessen werden, warum frühvollendete Künstler als das nächste große Ding gehandelt werden, aber bei der nächsten Kunstmesse schon wieder egal sind, und warum hart arbeitende Wissenschaftler mit originellen Gedanken ein graues Dasein bei schlechter Bezahlung fristen müssen.
Die zynische und ebenfalls populäre Variante der Geschichte besagt, dass es einfach Zufall ist, wer ein Bild verkauft oder einen Hit landet: Herausragendes entsteht, oder auch nicht, das jedenfalls hängt von einer Laune des unerbittlichen Schicksals ab. Die Wissenschaft nennt das Random Impact Theory: keine regelmäßige Verteilung von Hits.
Die Variante, bei der sich wahrscheinlich alle am wohlsten fühlen, ist sicher folgende: Kein Mensch ist sich sicher, was Erfolg eigentlich sein soll. Der Künstler Andy Kassier zum Beispiel hat Erfolg, weil er, nunja, Erfolg hat, und nicht mit Ratschlägen geizt, wie man es ihm nachtun kann. Oder schafft er sich dabei nur eine Kunstfigur? Egal, der vorgetäuschte Erfolg funktioniert ebenso gut und wird irgendwann zum echten.
Dabei gibt es gerade in der Kunst verschiedene Maßstäbe: Wer verkauft für den höchsten Preis, wer bekommt Anerkennung von den Kollegen, wer wird ausgestellt und über wen wird geschrieben? Deshalb ist es auch egal, welchen quantitativen Maßstab man dafür nun anlegt. Bei aller Komplexität: Wenn die Forscher fertig sind, bleibt immer noch etwas übrig.