Guillaume Paoli wurde gerade mit dem Günther-Anders-Preis Preis für kritisches Denken ausgezeichnet. Eben dieses bestimmt seine Arbeit seit vielen Jahren. So begründete er unter anderem die Initiative "Die glücklichen Arbeitslosen", deren Manifest 2002 für viel Aufmerksamkeit sorgte, 2009 bis 2013 arbeitete er am Schauspiel Leipzig als Hausphilosoph. Dort betrieb er eine philosophische Praxis, die jeder Bürger, jede Bürgerin der Stadt besuchen konnte, um mit ihm ein sokratisches Gespräch über ein Thema der Wahl zu führen. "Endlich mal ein Job, den man selbst definieren muss", resümiert Paoli – und empfiehlt allen Institutionen und Unternehmen die Einrichtung einer solchen Stelle. Denn jemand, der ohne festgeschriebene Funktion in einer Struktur Unruhe stifte, sei für alle ausgesprochen hilfreich.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung arbeitet er auch als Demotivationstrainer; dabei ist ihm, so erklärt er den Podcastern Friedrich von Borries und Torsten Fremer, die Auseinandersetzung mit Nicht-Philosophen wichtig, auch, weil so viele Philosophierende sich hinter akademischen Regeln verstecken: "Das macht ihre Texte unnötig langweilig und ist auch elitär".
Immer wieder wird Paoli Pessimismus vorgeworfen. Im Podcast erklärt er, warum das Begriffspaar Optimist/Pessimist seiner Meinung nach heute nicht weiterhilft. Dazu führt er zurück in das Revolutionsjahr 1789, als in Frankreich dieser Gegensatz erstmals aufkam – und eine ganz andere politische Bedeutung hatte, als man heute meinen mag. Der Begriff des Optimisten sei auf die Leibnizsche Vorstellung von Theodizee zurückzuführen, die eine fast schon fatalistische Akzeptanz des Bestehenden verlange, da wir nach Gottfried Wilhelm Leibniz ja schon in der bestmöglichen aller Welten leben. Das Gegenüber zum Optimisten sei also nicht der Pessimist, sondern der Utopist.
Utopien helfen nicht mehr weiter
Doch die Polykrisen der Gegenwart, die der Philosoph in seinem jüngsten Buch als "postnormale Zeiten" definiert, sind für Paoli mit bloßem Optimismus nicht zu besiegen, und auch Utopien helfen nicht mehr weiter. Schlimmer noch: Der allgegenwärtige Zwang zum positiven Denken steht ihrer Bewältigung entgegen: "Vielleicht braucht man nicht so viele Utopien als vielmehr gute Dystopien" – damit man weiß, was man zu verhindern hat. Womit wir wieder beim Denken wären, das es zu retten gilt. Denn um sich plausible Dystopien auszumalen, brauche man das Denken. Und um diese Gedanken dann auszuhalten, guten Humor.
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