Eben lag Daniel Mayrit noch in den Armen des Papstes. Auf dem nächsten Bild angelt er Fische mit Putin und grinst neben Marine Le Pen und Donald Trump in die Kamera. Auf welcher politischen Seite der charmante Mann im blauen Anzug steht, ist eindeutig: Er klüngelt mit den Mächtigen dieser Welt, die aus Hetzrede, Fake-News und Korruption Kapital schöpfen. Denn Daniel Mayrit ist ein Vorzeigepopulist. Und gleichzeitig ein Künstler, der den Populismus kritisieren möchte – indem er ihn reproduziert.
Der 38-jährige Spanier startete 2020 sein Projekt "One of yours", bei dem er Wahlkampagnen-ähnliche Fotos, Flyer, Tassen, Kissen und Wimpel mit seinem Gesicht bedrucken ließ und sich eine neue Identität samt ausgedachter Biografie verpasste. Als Fake-Politiker tourt er seitdem durch Museen und Ausstellungsräume und lässt Menschen zweifeln, was echt ist - und was nicht.
"Ich versuche, die Mittel, mit denen extrem rechte Parteien kommunizieren, offenzulegen. In der Hoffnung, dass Menschen diesen Techniken so im echten Leben nicht so schnell auf den Leim gehen", sagt Mayrit im Interview mit Monopol. Wenn man die Methoden von Populisten nur genug übertreibe, würden sie lächerlich und dadurch leichter zu durchschauen, so sein Ansatz.
Medium der Wahrheit und der Manipulation
Dabei ist die Frage, die sich bei Mayrits Performance aufdrängt: Wenn die Welt augenscheinlich ein Populismusproblem hat, muss man sie dann mit noch mehr polarisierenden Phrasen überschütten? Aussagen wie "I clearly stand with Viktor Orbán", die ohne Kontextualisierung unter den Instagram-Posts des Künstlers zu finden sind, wirken manchmal unheimlich echt - und lassen bezweifeln, dass sie wirklich zur Bekämpfung von Populismus beitragen.
Spannend an Mayrits Arbeit ist aber die Betrachtung des Mediums Fotografie als unentbehrliches Instrument für "guten" Populismus. "Fotografie war schon immer fake, eigentlich ist nichts echt", sagt der Künstler. Während das für ihn selbstverständlich zu sein scheint, mussten viele Menschen das zuletzt erst schmerzlich durch die Generierung von Bildern durch Künstliche Intelligenz (KI) erfahren. Denn ausgerechnet die Fotografie, die bei ihrer Entstehung als "Medium der Wahrheit" angepriesen wurde, wurde und wird immer wieder für politische Zwecke missbraucht.
Die AFD etwa veröffentlichte jüngst ein KI-generiertes Bild auf Instagram, auf denen eine Gruppe nicht klischeedeutsch aussehender Männer zu sehen ist, deren Gesichter zu brüllenden Fratzen verzogen sind. Darüber steht in großen Lettern: "Nein zu noch mehr Flüchtlingen!". Im Internet wimmelt es von weiteren Beispielen solcher KI-Fotos mit klarer Agenda. Denn der Kreativität und Manipulation von Bildern sind heute keine Grenzen mehr gesetzt. Die einzige Voraussetzung ist: sie müssen real genug wirken.
Politik und Pathosformel
Doch hat Mayrit recht, wenn er sagt, dass (politische) Bilder schon immer konstruiert wurden. Aby Warburg etwa zeigte mit seiner Pathosformel, dass bereits die Antike bestimmte Bildcodes kannte, die vor allem im Theater in Form von Masken eingesetzt wurden. Die Gesichtsausdrücke der Masken konnten von allen Betrachtenden eindeutig als unterschiedliche Emotionen gelesen werden und wurden deswegen bewusst reproduziert.
Die Kunstgeschichte ist voll von solchen Codes und durchkomponierten Bildern. Der Schritt hin zur Politik ist dabei nicht weit. Nicht zuletzt Adolf Hitler instrumentalisierte für seine (fotografisch festgehaltenen) Reden Warburgs Pathosformel, indem er, ähnlich den antiken Theatermasken, eine Körpersprache benutzte, die eindeutig für alle Menschen, die ihm zuschauten, zu interpretieren war.
Dass Politik und Fotografie untrennbar verknüpft sind, zeigt Mayrit in seinen Arbeiten. Seine gefakten Bilder haben dabei stellenweise tatsächlich das Potential, echte Fotografien von Politikerinnen und Politikern zu hinterfragen und ihre Inszenierung so vielleicht zumindest ansatzweise zu enttarnen.
Fakes können auch für gute Zwecke benutzt werden
Geholfen habe ihm bei seiner Inszenierung, dass er selbst einmal als Kampagnen-Fotograf bei einer politischen Partei in Spanien gearbeitet habe, erzählt der Künstler. Dort habe er gesehen, dass es in jeder Partei gleich zugehe, dass Botschaften und Bilder konstruiert würden und am Ende ziemlich wenig echt sei. Das sei der Grund, warum er sich heute nicht als Politiker gegen Populismus engagiere, sondern als Künstler.
Dabei bleibt er aber im Gegensatz zu seinem selbstverliebten Politker-Ich sehr realitätsnah: "Ich glaube nicht, dass Kunst die Welt verändern kann und ich mit meiner Kunst den Populismus abschaffen werde", sagt er. "Aber ich habe mich dazu entschieden, Populist zu werden, um wenigstens in Teilen diese populistischen Strukturen offenzulegen und sie durch Übertreibung zu Parodien ihrer selbst zu machen".
Das gelingt ihm bei den auf seinen Fotomontagen dargestellten Politikerinnen und Politikern durchaus. Durch das Zahnpasta-Lächeln und das übertriebene Posen des Daniel Mayrit werden sie zu Abziehbildern ihrer selbst, weil sie wirklich für all das stehen, was der Künstler sich nur aneignet. Mayrit ist ein Hoffnungsschimmer für alle KI- und Politik-Verdrossenen, denn seine Arbeit zeigt: Fakes können auch für gute Zwecke benutzt werden.