Nicht nur, aber auch wegen des spektakulären Verkaufs von Leonardo da Vincis "Salvator Mundi" blickt das Auktionshaus Christie's auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2017 zurück. Nach am Freitag vorgelegten Zahlen verzeichnete das Traditionshaus im vergangenen Jahr einen weltweiten Umsatz von 5,1 Milliarden Pfund (5,8 Milliarden Euro) ein Rekord-Anstieg von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auktionserlöse stiegen um kräftige 38 Prozent und trugen mit 4,6 Milliarden Pfund den Löwenanteil am Gesamtumsatz.
Der im November in New York versteigerte Da Vinci brach mit 450 Millionen Dollar (etwa 383 Millionen Euro) alle Rekorde. Der Kunstmarkt war wie elektrisiert. "So ein Da Vinci sprengt natürlich jede Statistik", bemerkt Christie's Europa-Chef Dirk Boll nüchtern zu dem Auktionscoup. In einem dpa-Gespräch in London räumt er zwar Stolz und Freude über den Verkauf nach Abu Dhabi ein, will ihn aber "eher als einen Meilenstein als einen Trend" werten.
Als kaum weniger wichtig müsse gewertet werden, dass 2017 allein sieben der zehn Toplose des internationalen Auktionsmarktes bei Christie's versteigert wurden. Der Zugewinn von rund einem Drittel Neukunden sei ebenso bemerkenswert. Zu den Auktionshits zählten neben Da Vinci unter anderem Max Beckmanns apokalyptisches Gemälde "Hölle der Vögel", ein Basquiat, die persönliche Sammlung von Audrey Hepburn sowie impressionistische Werke aus dem Besitz der deutschen Mäzenin Barbara Lambrecht.
Online-Zuschläge stiegen um zwölf Prozent an und der Verkauf von Werken mit einem Wert von mehr als einer Million Pfund erhöhte sich um saftige 68 Prozent. Auch Instagram spielte eine zunehmende Rolle. Besonders die hohe Anzahl von Neukunden in allen Regionen, die überwiegend jüngeren Alters sind und häufig auf digitalen Kanälen zu Christie's kommen, ist für Boll ein wichtiges Zeichen der Zeit.
"Kunst wird nach wie vor gesammelt", stellt er fest. "Wir haben gesehen, dass auch die junge Generation, die ein anderes Verhältnis zu Mittelbarkeit und Kunstgenuss hat, zu uns kommt." Nicht selten werde der "Onlineshopper zum Saalbieter einer echten Auktion".
Ansonsten bestimme der Durst nach Wissen und Kontext der erstandenen Werke zunehmend das Käuferverhalten, sagt Boll. "Sammler sind heute sehr kenntnisreich. Sie interessieren sich für Hintergrund und wollen verstehen was sie kaufen." Aufgabe des modernen Auktionshauses sei es, als neutraler Filter den Kunden eine zeitgemäße Dienstleistungsplattform zu bieten, auf die sie vertrauen könnten.
Als größtes Nachfragegebiet gelte weiterhin die Nachkriegskunst, sagt Boll. Doch auch der Trend hin zur Kunst der "Jetzt-Zeit" habe sich 2017 fortgesetzt. "Immer mehr Menschen finden Kunst interessant, die die Welt reflektiert, in der sie selbst leben." Sie sammelten Kunst, die zu ihrer Lebzeit entstanden ist, oder von Künstlern stammt, die in dieser Zeit tätig waren und als Vorbilder für die Gegenwart gesehen würden. Das Interesse an aussagekräftiger politischer Kunst sei ein erkennbarer globaler Trend.
Trotz alledem hinterlässt der Da Vinci-Effekt nachhaltige Spuren. "Es führt kein Weg daran vorbei, dass Alte Meister jetzt anders angeschaut werden. Der Welt wurde vor allem gezeigt, dass ein Alter Meister sehr kostbar sein kann", sagt Boll. Auch Einlieferer anderer Kunstsparten und Epochen träten jetzt mit der Erwartung an, die Auktionsarena in diesem Sinne für den Verkauf ihrer Objekte zu nutzen. Den größten Gewinn sieht Boll daher für die Rolle des Auktionshauses. "Es ist ein Trend pro-Auktion. Das Jahr 2017 hat gezeigt, dass das Ergebnisoffene Angebot auf der Auktionsbühne unglaublich tolle Ergebnisse zeigt, oder eine überraschend große Zahl an Nachfragern fesseln kann, was sich dann sozusagen in Geboten und am Preisniveau entlädt."