Umhüllt von feinen Stoffen tanzen wohlgeformte Körper mit kraftvollen Bewegungen zu Melodien von Tschaikowski übers Parkett – eine Bühnen-Szene, die die Zuschauer in ihren Bann zieht. Dass geschundene Füße, hartes Training und erschöpfte Tänzerinnen und Tänzer genauso zum Ballett gehören wie die glanzvollen Auftritte, zeigen die Fotografien von Colin Jones. Der Fotojournalist dokumentierte in den 1960er- und 1990er-Jahren den oft nüchternen Alltag von Ballettstars wie Margot Fonteyn und Rudolf Nureyev, mit denen er Freundschaften schloss. Jones hat selbst seine Ballettschuhe gegen eine Kamera getauscht: Sein Lebenslauf erinnert ein wenig an die Filmfigur Billy Elliot aus dem gleichnamigen Kinoerfolg über einen Ballett-verrückten Jungen aus dem Jahr 2000: Jones, der 1936 als Kind der Arbeiterklasse in London geboren wurde, begann im Teenageralter mit dem Tanzen. Nach seiner Wehrpflicht wurde er als Tänzer am Royal Opera House der britischen Hauptstadt engagiert und ging mit dem Royal Ballet auf Welttournee.
Kamera statt Ballettschuhe
Seine erste Kamera, eine Leica IIIC, kaufte er sich 1958 auf der besagten Tanztournee: Die Lichtkulisse hinter dem Vorhang faszinierte ihn, und so begann er, seine Kolleginnen und Kollegen festzuhalten. Der ungarische Fotograf Michael Peto war dabei eine Inspiration für ihn – die Idee, nicht die Perfektion auf der Bühne einzufangen, sondern die Realität im Hintergrund. Nachdem er sich schließlich ganz dem Fotografieren widmete, arbeitete er unter anderem für den "Observer" und etablierte sich als einer der bedeutendsten britischen Fotojournalisten. Seine Motive in der Ausstellung kommen den Tänzerinnen und Tänzern ganz nah: Strickende Ballerinas, Dehnübungen in lockerer Trainingskleidung, die Vorbereitungen für den großen Auftritt – Jones Fotografien zeigen den Ballettsport nahbar und realistisch, sie machen sichtbar, was dem Zuschauer meist verborgen bleibt.
Jones Blick ist dabei nüchtern und beobachtend - allerdings wurden die Schattenseiten des Balletts in den letzten Jahren immer öfter zum Stoff von Diskussionen und Dokumentationen. Wie brutal es teilweise hinter der Bühne zugehen kann, zeigte beispielsweise Darren Aronofskys Thriller "Black Swan" von 2011 auf überspitzte Weise: Emotionaler Druck, enorme Konkurrenz und Essstörungen allerdings sind reale Probleme, die der Film thematisiert. Vorfälle wie der Säureangriff, der 2013 auf Sergej Filin, den damaligen Direktor des russischen Bolschoi Balletts verübt wurde zeigen, dass der Ballettsport keineswegs eine perfekte Welt aus rosa Rüschen ist.