Skulptur als Korallenriff

Mein nasser, grüner Kaktus

Den Ozeanen geht es immer schlechter. Aber es gibt auch Hoffnung: Vor der Küste Jamaikas hat eine Stiftung das Karibische Meer wiederbelebt. Die Schweizer Bildhauerin Claudia Comte feiert diesen Erfolg mit einer Ausstellung zwischen den Korallenriffen

Francesca Thyssen-Bornemisza besucht Jamaika seit ihrer Kindheit: "Ich habe Tauchen gelernt, die Korallenriffe erkundet und meine eigenen Kinder mit den Wundern des Ozeans bekannt gemacht", erzählte die Erbin des Barons Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza kürzlich in einem Interview. Als jedoch eine ihrer Töchter nach dem Schnorcheln im Riff berichtete, sie habe keinen einzigen Fisch gesehen, war das für die Kunstsammlerin und Mäzenin ein Signal, endlich etwas zu tun: "Ich war selbst Zeuge der Vernichtung von Arten und der massiven Veränderungen im Laufe der Jahre. Für mich wurde es unmöglich, das zu ignorieren."

Mit ihrer Wiener Stiftung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary gründete Francesca Thyssen-Bornemisza 2011 die TBA21-Academy, die Forscher, Institutionen und Künstler zusammenbringt, um über die Zukunft der Ozeane nachzudenken und sich konkret zu engagieren. In Jamaika ist sie mit der Alligator Head Foundation aktiv, um ein Naturschutzgebiet vor der nordöstlichen Küste der Insel einzurichten. Im East Portland Fischreservat im Karibischen Meer sei die Biomasse durch die Maßnahmen in drei Jahren um 200 Prozent angestiegen, die Artenvielfalt um 16 Prozent. "Es ist absolut erstaunlich, wie schnell sich die Ozeane erholen, wenn wir ihnen nur eine Chance geben."

Um diesen Erfolg zu feiern, hat Claudia Comte jetzt einen Unterwasser-Skulpturenpark im Fischreservat eingerichtet: Die Schweizer Künstlerin hat als Aufenthaltsstipendiatin Kaktusskulpturen auf den Meeresboden gepflanzt, die nun von Schnorchlern, Taucher und Fischen zu bewundern sind. Die 3D-Druck-Objekte sollen "Monumente des Meeresschutz" sein und der "kollektiven Anstrengung der lokalen Bevölkerung zur Wiederherstellung des Ökosystems Tribut zollen".

Unterwasserkakteen werden Teil des Riffs

Wie passt Kunst in eine Zeit, in der Umweltprobleme und der Klimawandel die täglichen Nachrichten dominieren, wird in jüngster Zeit wieder häufiger gefragt. Die Antwort lautet dann oft: Gar nicht! Auch wenn Künstlerinnen und Künstler sich mit ökologischen Themen beschäftigen, verbrauchen sie Ressourcen – was ihre Arbeit zur reinen Heuchelei mache. Aber diese Sichtweise verkennt, dass jede Utopie und Hoffnung eine Narration und visuelle Signale braucht: sei es störrisches Mädchen mit einem Schild, auf dem "Skolstrejk för Klimatet" steht, sei es ein Eisbär auf der letzten Eisscholle oder – vielleicht – Kakteen unter Wasser. 

Francesca Thyssen-Bornemisza scheint zumindest weiter an der weltverändernden Kraft der Kunst zu glauben: Statt ihr Mäzenatentum ganz aufzugeben, bleibt Kunst Teil ihres Engagements, das sich seit 2011 deutlich in Richtung Ökologie verschoben hat. Haben sich das Flugticket für Claudia Comte und die Emissionen bei der Herstellung der Skulpturen also gelohnt? Wer will das beurteilen? Währenddessen werden die Unterwasserkakteen Teil des Riffs und lebendige Kunst: Im Januar sollen auf den Werken Korallen angesiedelt werden.