Sein Netzwerk liest sich wie das Who's who der Kulturwelt: von Coco Chanel bis zur Kunstmäzenin Marie-Laure de Noailles. Dabei wollte der 1949 mit nur 46 Jahren verstorbene Bürgerssohn Christian Bérard aus bestem Haus, Spitzname "Bébé", eigentlich Maler werden. Bérard studierte an der Académie Ranson, wo Édouard Vuillard und Maurice Denis seine Lehrer waren. In Italien begeisterte er sich für Giotto und Piero della Francesca und versuchte später, ihren Geist in Fresken mit anachronistisch anmutenden biblischen Motiven einzufangen. In mediterran strahlenden Farben und manchmal auch auf Paravents, die sich eine Elsa Schiaparelli in ihren Salon stellte.
Sein Anspruch, "ein großartiger Maler zu sein und etwas Schönes zu tun", war enorm. Der Spagat ging nicht auf, und beim Rennen ums Berühmtsein überwog irgendwann das exzessive Streben nach Glamour. Was nicht unbedingt hieß, dass Bérard zum Provozieren aufgelegt war. Seine klassisch komponierten Porträts, abseits von Abstraktion und Surrealismus, wirken heute vor allem durch die Ansammlung berühmter Namen, darunter unzählige aus der queeren Community: die Fotografen Horst P. Horst und Cecil Beaton, die Chanson-Sängerinnen Damia und Suzy Solider oder sein Förderer Jean Cocteau und sein Liebhaber und Djagilew-Tänzer Boris Kochno.
"Ich könnte mich nie für das Schicksal einer in vier Teile geschnittenen Gitarre interessieren", sagte Bérard einmal in einem Interview. "Der erste Überlebende der Moderne", nannte ihn später anerkennend Jean Cocteau. Ausgerechnet Gertrude Stein, die Anhängerin der modernen Kunst schlechthin, erwarb einige seiner Werke – zum großen Entsetzen von Picasso, der die in seinen Augen reaktionäre Machart verachtete. Aus heutiger Sicht erscheint das Festhalten am Klassizismus fatal und als sicheres Trampolin in die kunsthistorische Peripherie.
Dabei waren Bérards Selbstporträt-Zeichnungen in Frauenkleidern, die man aus der Hand von Otto Dix vermutet hätte, unfassbar komisch. Der Humor schwappte auch auf Fotografien über, wenn er sich für einen Kostümball als bärtiges Rotkäppchen inszenierte oder einen derangierten Clochard abgab, nur um wenige Stunden später einen Smoking zu tragen. Nicht zu vergessen die Bildnisse junger schlafender Männer in roten Unterhosen, bei denen man sogleich an Andy Warhols Klassiker "Sleep" denken muss. In dem sieht man dem Beat-Poeten John Giorno sechs Stunden beim Schlafen zu.
Dies und vieles mehr findet man gerade auf zwei Etagen in der im Stil der Epoche eingerichteten Villa Paloma in Monaco. Es ist ein veritabler Menschenauflauf, und die Party scheint nie zu Ende zu gehen. Bérard malte nachts und schlief tagsüber. Ein mörderischer Rhythmus, der ihm aber immerhin ein beachtliches Adressbuch bescherte.
Man erlebt ihn in vielen Rollen: Vor der Linse eines Herbert List, Irving Penn und Man Ray, im Bett hingestreckt von seiner Opiumsucht, im Büro der Pariser "Vogue" beim Zeichnen eines Models oder im Urlaub als lachende Stimmungskanone. Kaum eine Disziplin, die er nicht in Angriff genommen hätte: Bühnenbildner für den Theater-Giganten Louis Jouvet und Jean Cocteaus Film "Die Schöne und das Biest". Kostüme für die Ballets Russes. Und auch in der Mode-Welt war er gefragt, etwa bei Robert Piguet, Coco Chanel, Hubert de Givenchy oder Christian Dior. Selbst vor Design schreckte er nicht zurück. Mit dem Innenarchitekten Jean-Michel Frank, dem Cousin von Anne Frank, lieferte er die passenden Möbel für den aristokratischen Geschmack einer Gräfin de Polignac.
Es überrascht kaum, dass bei all dem zeitgeistigen Spektakel-Aktionismus seine Kunst etwas auf der Strecke blieb. Nicht wenige seiner Zeitgenossen bedauerten die Entwicklung und sprachen von "Prostitution". Dass Bérard fast auf der Bühne starb, während der Installation einer seiner Kulissen, könnte man für seine ultimative letzte Rolle halten. Dass aber Andy Warhol in seinem Todesjahr nach New York zog und als Illustrator für die Mode-Presse zu arbeiten begann, darunter "Harper's Bazaar" und "Vogue", grenzt an eine Schicksalsgemeinschaft. Bei beiden spielte die Malerei keine zentrale Rolle, sie arbeiten in Bereichen der Kunst, die als kommerziell galten, liebten das Porträt, Partys und ein schwulenfreundliches Umfeld.
Kein Geringerer als Yves Saint Laurent hat die Verwandtschaftslinie erkannt. In einem Interview aus den 1990er Jahren gab er zu Protokoll: "Ich habe Nostalgie für die 20er-Jahre. Jetzt sieht es aus wie Leere, Wüste, Langeweile ... Wo ist Jouvet? Wo ist Bérard? Und seit Warhol verschwunden ist, wer hat ihn ersetzt? Wer kann, nachdem er uns verlassen hat, der Gesellschaft einen ihrer würdigen Spiegel vorhalten? Ja, das ist es: Mit Bérard und Warhol ist etwas Wesentliches gestorben. Sie hatten die Anmut, das Genie, die Lebenskunst."