English version below
Wo beginnt man, wenn man einem so außergewöhnlichen Künstler wie William Forsythe ehren möchte?
Vielleicht am besten bei der ersten Begegnung: Es muss 2001 gewesen sein, bei Proben in Frankfurt. Damals arbeitete Forsythe an dem Stück "One Flat Thing Reproduced", dessen Geschwindigkeit und Komplexität mich überwältigte – ein Werk, das sogar die Eindrücke des zuvor in Berlin gesehenen "Kammer/Kammer" übertraf.
Wie beginnt man, die Ephemerität der Bewegung und die Komplexität seiner Choreografien zu erfassen und zu beschreiben?
Eine der eindrucksvollsten Szenen von "Kammer/Kammer" demonstrierte die Verschiebung zwischen Körper und Bild: Tänzer wurden nicht nur gefilmt, sondern eher eingescannt, ihre Bewegungen zeitversetzt auf Monitoren wiedergegeben. Während die Körper auf der Bühne längst woanders waren, blieb ihre Abbildung zurück – ein Moment, der eine unerwartete Traurigkeit hervorrief. Diese Trennung zwischen Bild und Realität, wie sie Forsythe meisterhaft inszenierte, zeigte, wie uns die körperliche Erfahrung von Raum und Welt immer mehr entgleitet. Am Ende verschwanden die Tänzer ganz aus dem Blickfeld und wurden nur noch als ornamentale Muster auf Bildschirmen sichtbar – ein eindringliches Sinnbild für die Entfremdung durch Technologie.
Ein Visionär der Tanzwelt
"Kammer/Kammer" wurde für mich zur Inspirationsquelle für eine fünfteilige Videoarbeit, die auf der Idee vielschichtiger Perspektiven basierte. Samuel Becketts "Worstward Ho" lieferte das Zitat für meinen Versuch, die zeitlose Gültigkeit dieses Werks zu bewahren und von William Forsythe in den Raum einzuschreiben. Der Betrachter bewegte sich durch Forsythes Choreografie und setzte die Mosaike der Perspektiven zu einer eigenen visuellen Reise zusammen.
Ein weiteres Schlüsselerlebnis folgte mit Francis Bacons "Final Unfinished Portrait", das ich in Dublin sah. Dieses Werk diente mir als Schablone für das umgekehrte Konzept: die Übersetzung von statischer Figur in Bewegung. Forsythes Großzügigkeit ermöglichte es schließlich, meine Installation im Musée du Louvre in Paris zu präsentieren – initiiert von Toni Morrison.
Forsythe hat die Tanzwelt revolutioniert, indem er Bewegung de-konstruiert und neu de-finiert hat. Seine Arbeit überschreitet traditionelle Grenzen des Balletts und verbindet klassische Techniken mit innovativen und überwältigen experimentellen Konzepten. Mit über 70 Bühnenwerken und Installationen ist William Forsythe weit mehr als ein Choreograf. Er ist ein Visionär, der das Verhältnis von Körper, Raum und Bild revolutioniert hat. Zu seinem 75. Geburtstag an diesem Montag gratuliere ich einem Künstler, der nicht nur die Tanzwelt verändert hat, sondern auch die Wahrnehmung von Kunst und Realität selbst.
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Where does one begin when congratulating such an extraordinary artist as William Forsythe on his 75th birthday?
Perhaps the best place to start is with the first encounter. It must have been in 2001 during rehearsals in Frankfurt, where Forsythe was working on One Flat Thing, Reproduced. The speed and complexity of the piece left me utterly overwhelmed—it even surpassed the impression made by his earlier work, Kammer/Kammer, which I had seen in Berlin.
How does one capture the ephemeral nature of movement and the intricacy of Forsythe’s choreographies?
One of the most striking scenes in Kammer/Kammer demonstrated a unique dislocation between body and image: dancers were not merely filmed but scanned, their movements delayed and displayed on monitors. While the bodies on stage had already moved elsewhere, their projections lingered—a moment that evoked an unexpected sadness. This masterful separation of image and reality reflected how physical experiences of space and the world increasingly slip away. By the end, the dancers vanished from view entirely, their presence reduced to ornamental patterns on screens—a poignant metaphor for technological alienation.
Kammer/Kammer became a source of inspiration for a five-part video piece I created, built around the idea of layered perspectives. Samuel Beckett’s Worstward Ho provided a guiding quote for this exploration, attempting to preserve the timeless relevance of Forsythe’s work and inscribe his choreography into spatial form. Viewers navigated Forsythe’s choreographic worlds, assembling the fragmented perspectives into their own visual journeys.
Another transformative experience came with Francis Bacon’s Final Unfinished Portrait, which I encountered in Dublin. This painting became a framework for translating static forms into motion—an inverse of Forsythe’s practice. His generosity made it possible to present my installation at the Musée du Louvre in Paris, with the project initiated by none other than Toni Morrison.
Forsythe has revolutionized the dance world by deconstructing and redefining movement. His work transcends the traditional boundaries of ballet, merging classical techniques with groundbreaking experimental concepts. With over 70 stage works and installations, William Forsythe is far more than a choreographer; he is a visionary who has reimagined the relationship between body, space, and image. On his 75th birthday, I extend my heartfelt congratulations to an artist who has not only transformed dance but also reshaped our perception of art and reality itself.