"The Available City"

Architektur-Biennale verwandelt verlassene Orte in Chicago

Die US-Metropole Chicago hat so viele verlassene Orte, dass man aus ihnen ein zweites Downtown bauen könnte. Die dortige Architektur-Biennale hat sich nun zum Ziel gesetzt, diese Flächen zu Begegnungsstätten für alle zu machen

Dass mit den Großstädten etwas nicht stimmt, hat sich spätestens während der Corona-Lockdowns der vergangenen eineinhalb Jahre gezeigt: Riesige Büroflächen standen leer, wer nicht das Glück und die Mittel hatte, über einen Garten oder ein Ferienhaus zu verfügen, drängte sich oft mit vielen Menschen auf viel zu engem Raum. Und auch der öffentliche Raum entpuppte sich als Enttäuschung, denn in vielen Städten ist es nicht vorgesehen, dass sich Menschen in ihnen aufhalten, ohne etwas zu konsumieren. 

Es ist also folgerichtig, dass sich die aktuellen Architekturbiennalen eher nicht mit Prachtbauten von Stararchitekten, sondern mit neuen Lösungen fürs Zusammenleben beschäftigen. "How Will We Live Together?" lautet der Titel der Biennale Architettura in Venedig, die noch bis zum 21. November läuft. Und auch die vierte Chicago Architecture Biennial (bis18. Dezember) schert sich weniger um sein legendär modernes Bauerbe als um die Wiederbelebung von Begegnungsorten. "Community Building" heißt auch hier das Zauberwort. Unter dem Titel "The Available City" haben mehr als 80 internationale Architektinnen, Architekten und Studios zusammen mit der einheimischen Bevölkerung an Projekten für verlassene Orte gearbeitet, von denen es laut des künstlerischen Leiters der Biennale David Brown in Chicago reichlich gibt. Würde man alle vakanten Flächen in staatlichem Besitz zusammenzählen, würden diese sich zur Größe von Downtown addieren. 

Das Bedürfnis der Nachbarschaften richtet sich offenbar vor allem nach einer Art von öffentlichem Raum, der Aufenthaltsqualität ohne Kaufzwang bietet. So beschäftigen sich viele der Biennale-Projekte mit Variationen von Spielplätzen, Treffpunkten und Sportmöglichkeiten. Der Schweizer Architekt Manuel Herz und sein Team haben eine ortsspezifische Installation für das Central Park Theater, ein ehemaliges Herzstück der Kulturszene Chicagos, das nach Wunsch einer Bürgerinitiative wieder genau das werden soll. Das Sekou Cooke Studio hat aus Schiffcontainern Strandkorb-ähnliche Skulpturen gebaut, die Wetterschutz und Sitzgelegenheiten gleichzeitig sind und das Provisorische zur Kunst erheben. Das Kollektiv Port hingegen beschäftigt sich mit der Geschichte des Southbank Park am Chicago River, das von Industriebauten geprägt war und nun eine Wohngegend wird. Ihre kleinen minimalistischen Lagerhäuschen aus Stahl, die bei Nacht zu leuchtenden Skulpturen werden, erinnern daran, Raum für alle bei den Planungen mitzudenken.