Manchmal braucht es nur eine Restaurantquittung, damit man ins Träumen gerät. Die Gesellschaft muss etwas größer gewesen sein an diesem Tag im Jahr 1991 im Restaurant La Méditerranée. Es gab Champagner, Tartare, Lachs, dann Crème Brulée und Profiteroles. Cathy Josefowitz hat die Rechnung mitgenommen und darauf ein heiteres kleines Aquarell gemalt, eine blaue Frauenfigur, die sich in das schmale Format hineinschlängelt wie eine Wassergöttin. Jetzt hängt die Zeichnung bei Hauser & Wirth in Zürich, Teil der Ausstellung, die die Galerie der 2014 verstorbenen Josefowitz ausrichtet. Trotz einiger Museumspräsentationen in den letzten Jahren ist ihr Werk bislang noch nicht sehr bekannt. Es kann gut sein, dass sich das ändert, denn es ist durchaus spannend.
Josefowitz, 1956 in New York geboren und in Genf aufgewachsen, hatte in Straßburg, London und Paris Bühnenbild, Tanz und bildende Kunst studiert. Körperlichkeit war ein großes Thema, egal ob im Theatralen oder in ihren Zeichnungen und Gemälden, die weiblichen Erfahrungen, Intimität und Sexualität viel Raum geben.
Seit den 1970er-Jahren engagierte sich Josefowitz in der Frauen- und Schwulenbewegung, war fasziniert von Schwangerschaft und Geburt und machte sogar eine Ausbildung als Hebamme, was sich in einem sehr genauen Erfassen des weiblichen Körpers in ihrem zeichnerischen Werk niederschlug.
Von Tanz Performances bis zu abstrakten Bilder
Bei Josefowitz ist die Praxis des Tanzes und der somatischen Körperarbeit durchgehend eng mit dem bildnerischen Werk verbunden. "Release" hieß eine Performance aus den späten 1980er-Jahren, die an die Wand der Galerie projiziert wird: Man sieht die Künstlerin sich im Tanz fallen lassen, rollen, Techniken des Loslassens ausprobieren.
In ihren Gemälden und Zeichnungen findet das seine Entsprechung in biegsamen, zusammengerollten Frauenkörpern, die in ihrer Flächigkeit an Matisse erinnern, im Laufe der Jahre aber immer abstrakter werden. In der Serie "Prayers" entwickelt sie Ende der 1990er-Jahre aus den Formen von Gebetstüchern abstrakt geometrische Bilder, die eine spirituelle Dimension besitzen.
Josefowitz‘ Versuch, den weiblichen Körper aus der männlichen Perspektive zu befreien, hat durchaus auch sehr witzige Komponenten, wenn sie einem liegenden weiblichen Akt am Geschlecht ein Dreieck aus ausgeschnittenem Küchenschwamm aufklebt. Die späten Gemälde der "Venus"-Serie bringen den Körper an den Rand der Abstraktion.
Man kann viele kunsthistorische Referenzen erkennen in ihren oft auch farblich verführenden Bildern, sie zitiert neben Matisse auch Monet, Rodin oder Klee. Dass sie die Körper, die sie malt, auch spürt, merkt man an der Präsenz, die sie bekommen. "The Thinking Body" hieß die Retrospektive, die 2022 / 2021 vom durch die Schweiz, Frankreich und Italien tourte – auch das ein passendes Motto für Josefowitz' einfühlsame Kunst.