Film über Architekt Balkrishna Doshi

Das Lächeln des Betons

Balkrishna Doshi zählt zu den einflussreichsten Pionieren moderner Architektur in Indien. 2018 gewann er für seine Projekte zwischen Poesie, Funktionalität und sozialem Anspruch den Pritzker-Preis. Ein Film feiert jetzt die Leichtigkeit seines Denkens

Diese jugendlich funkelnden Augen im Gesicht eines 95-Jährigen vergisst man nicht so schnell. Wenn Balkrishna Vithaldas "BV" Doshi vergnügt auf einer Schaukel sitzt und sich von Kindern, die in seiner Architektur aufwachsen, die Durchlässigkeit des Areals für den sich ausweitenden Urwald erklären lässt, dann kann man kaum glauben, dass dieser alterslose Enthusiast kurz nach den Dreharbeiten zu "Das Versprechen" in Ahmedabad verstorben ist.

Hier entstanden seit den 1950er-Jahren seine wichtigsten Bauwerke: Siedlungen, Wohnhäuser, Verwaltungs- und Kultureinrichtungen. Regisseur Jan Schmidt-Garres, der schon Porträts über Künstler wie Andreas Gursky, Olafur Eliasson oder John Baldessari drehte, nähert sich diesem Werk, indem er sich mit Biographischem nicht lange aufhält und den stets beneidenswert gelassenen Urheber im neuen Film "Das Versprechen" über seine Arbeit reden lässt.

Immer wieder verschriftlicht Doshi seine Gedanken parallel auch auf dem Papier eines Zeichenbretts. Dann sagt er, dass Architektur stets eine Geschichte erzählt. Dass sie ein lebendiger Organismus ist, der jede denkbare Form annehmen kann. Oder dass er schon als Kind Tische und Stühle herstellen wollte, die in jede Wohnung passen.

Je jünger, desto harmonischer

Während er so plaudert, bekommt man seine wichtigsten Bauwerke zu Gesicht, ohne, dass andere Experten oder Wegbegleiter das Gesagte und Gezeigte kommentieren würden. Ein wenig Widerspruch hätte man sich aber durchaus gewünscht, denn manch ein brutalistisches Experiment wirkt in seinem Umfeld durchaus wie ein Fremdkörper. Doshi muss aus solchen Fehlern gelernt haben - je jünger das Gebäude, desto harmonischer und organischer scheint es sich aus heutiger Sicht in den Rest einzufügen.        

Und dann ist da auch noch Le Corbusier. Doshi arbeitete Anfang der 1950er-Jahre im Pariser Büro des schweizerisch-französischen Architekten und von 1954 bis 1957 in Ahmedabad, wo er die Bauaufsicht für vier seiner geplanten Industriellenvillen übernahm, darunter auch das berühmte Sarabhai House.

Dass er Le Corbusier seinen "Guru" nennt, glaubt man sofort, denn die moderne Formensprache seiner tropischen Beton-Entwürfe fällt ebenso ins Auge wie auch seine eigene ästhetische Interpretation des Vorbilds. Zu Doshis bescheidenen Auftritten jenseits von Starallüren passt, dass sein Privathaus durch einen schlichten Grundriss besticht. Oder dass er auf den hektisch pulsierenden Straßen des Stadtviertels, wo sich sein erstes Büro befand, immer noch erkannt und um ein Selfie gebeten wird.

Hochaktuelle Vorstellungen von Nachhaltigkeit
                            

Was zeichnet noch seine Herangehensweise aus? Hochaktuell sind seine Vorstellungen von Nachhaltigkeit. Der heute allgegenwärtige Begriff spielte bei Doshi bereits in den 1960ern eine Rolle, wenn er eine Klimaanlage allein durch eine einfallsreiche Bauweise überflüssig machte, etwa im Fall des Institute of Indology, einer Institution, die ein Archiv, ein Forschungszentrum und ein Museum beherbergt.

Er verwendete lokale Materialien und arbeitete ressourcenschonend, ohne den Wohnfühlaspekt aus dem Blick zu verlieren. Das gilt selbst für seinen ersten Auftrag. Damit sich die Schüler und Schülerinnen in der Gesamtschule nicht klein vorkamen, baute er sie wie ein Dorf mit vielen Wegen und flexiblen Räumen, deren Bestimmung sich leicht verändern ließ.

Bezahlbar und modifizierbar sollte auch die 1989 in Indore gebaute Sozialwohnanlage Aranya Low Costing House sein. Die Menschen, die hier wohnen, zeigen im Film die Erweiterungen, die sie um Treppen und Stockwerke vorgenommen haben. Sie eignen sich die Gebäude an. Und Doshi? Er verliert über diese Veränderungen nur ein zufriedenes Lächeln.