Den Blick auf Dinge wenden, die im Dunkeln liegen. Das ist das Thema der Busan Biennale 2024, die gerade zeitgleich mit ihrer "großen Schwester" in Gwangju und der Art Week in Seoul stattfindet. Das Licht der Aufmerksamkeit ist der Ausstellung also sicher, die von Vera Mey und Philippe Pirotte kuratiert wurde und bis zum 20. Oktober vier Standorte in der südkoreanischen Hafenstadt bespielt.
Der Großteil der 62 Künstlerinnen und Künstler aus 36 Länder sind im Busan Museum of Contemporary Art versammelt. Im ehemaligen Tresorkeller des Modern & Contemporary History Museum geben Architektur und Ort zusätzlich Raum für Auseinandersetzung (und technische Probleme), während die Standorte Hansung 1918 und Choryang House die obligatorisch leicht heruntergekommen Art Spaces stellen, wo die Kunst mit dem Charme des Gebäudes konkurriert.
Damit das Thema, so weit wie der Ozean, einen Rahmen bieten kann, werden zwei Anker gesetzt: Piraten und buddhistisches Klosterleben. Wer es sich nicht vorstellen kann, darf sich direkt im ersten Raum des Busan Museum of Contemporary Art überzeugen lassen: das raumfüllenden Wrack eines Piratenschiffs "W-W (Waves of Wreckage)" von Eugene Jung gesellt sich zu Song Cheons Rollbildern der Gottheit Avalokiteshvara und der Jungfrau Maria.
Taring Padi diesmal ohne religiöse Stereotype
Weiter geht es mit Revolutionären, die allerdings diesmal Inhalt und nicht die Künstler des indonesischen Kollektivs Taring Padi selbst sind. Ihre Karikaturen auf Kartontafeln und Batikstoffen, die auf der Documenta Fifteen für so viel (unerwünschtes) Aufsehen gesorgt haben, verzichten in Busan auf religiöse Symbole und stereotype Darstellungen - auch von ostasiatischen Gesichtszügen, mit denen sie in Kassel noch chinesische Geschäftsleute darstellten.
Ihren Pappaufstellern gegenüber hängen berühmte koreanische Revolutionärinnen in Chaesaekwa, einer traditionellen Maltechnik. Allerdings sind Yun Suknams Porträts von 19 "Women of Resistance" in ihrer Gestaltung fiktiv, denn von diesen Frauen ist außer ihren Geschichten wenig geblieben. Lebensnaher sind die Videos, die in "An Exercise in Assembling" von Subversive Film - ebenfalls bekannt aus der Documenta-Antisemitismus-Kontroverse von 2022 - als Übung in visueller Archäologie aus den Archiven geholt wurden. Sie begleiten die alltäglichen Momente der Revolutionen der 1970er-Jahre. Das Zentrum der Ausstellungshalle im zweiten Stock bildet die Videoinstallation "Night Sutra" von Han Mengyun, die auf der Suche nach einem selbstbestimmten Frauenbild Geschichten aus China, Kambodscha, Großbritannien und der Schweiz in psychoanalytisch aufgeladenen Bildern verwebt.
Schmerzhafte koreanische Geschichte behandelt Kyung Hwa Kim in ihren drei textilen Werken: für die Vögel, Fische, Gräser und Bäume, die sich raumhoch überlappen, verwendet sie natürliche Farben, die sie bei vermuteten Massengräbern aus der Zeit des Koreakriegs findet. Hong Jin-hwon behandelt in "Glitch Barriade" und "Double Slit" jüngere Wunden: Seo Young-geols Fotos von den Arbeiterprotesten der 1980er- und 1990er-Jahre setzen den Rahmen für einen Dokumentarfilm über die Reflexionen zweier Gewerkschaftsführer über die Selbstverbrennung eines Arbeiters vor einem Hyundai-Werk 2004.
Ein Mini-Berghain im Keller
Ruhiger wird es im Untergeschoss: Tracy Naa Koshie Thompson vergrößert die molekulare Struktur von Kimchi auf Wandhöhe, und Dowoon Lee bringt die Energie der gewählten Orte ungehindert von formaler Ausbildung auf gefundene Materialien. Die in Busan lebende Künstlerin Bang Jeong A, die im August im Meinblau Projektraum in Berlin zu sehen war, interpretiert mit "Those Enlightened in the Water" die Arhat neu, also die buddhistischen Heiligen, die die Wiedergeburt überwunden haben. Die ältesten Werke der Biennale stammen von Bahc Yiso, dessen "Human/Inhuman" von 1987 und "Untitled (Today)" von 2000 die Klammer der postmodernen koreanischen Kunst auch visuell um diese drei Stockwerke setzt.
Das Museum für moderne Geschichte lässt die Besucher an einen ehemals abgesperrten und verborgenen Raum gelangen: In den Keller einer ehemaligen Bank, wo Yang hee Lee mit den minimalistischen Bewegungen zweier Tänzerinnen zu wummernder Klubmusik den Betonraum in ein Mini-Berghain verwandelt. Im Gang davor rasseln die Säbel: Koo Hunjoos "Mugunghwa Pirates" ist eine Galerie der demokratischen Präsidenten Südkoreas, bereichert um Seeräuber-Accessoires.
Schiffe, vor allem gesunkene - sogenannte "constructive total losses" - verfolgen Shuruq Harb und Federica Bueti in ihrem Video "Off You Shore Paper Trail" wenig erfolgreich durch die Archive einer Reederei. Ubermorgens Installation "The Silver Singularity" beherrscht daneben das Erdgeschoss des Choryang House. Sie bietet eine alternative Realität, die mit dem Tod von Carlo Guilano bei den G8-Gegenprotesten in Genua 2001 beginnt und einen Politthriller in eine futuristisch moosgrün-neonpinke Landschaft mit Eukalyptus-Geruch bettet.
Diese Biennale will nicht dozieren
Der Inspirator der Kuratoren kommt im Hansung 1918 selbst zu Wort: David Graeber, der 2020 verstorbene Anthropologe, darf in der Videoinstallation seiner Partnerin Nika Dubrovsky seine anti-kapitalistischen Thesen gegen von seinen Freunden gespielte Kritiker verteidigen.
Auch wenn es spätestens hier so klingen könnte: Diese Biennale will nicht dozieren, einfache Wahrheiten bietet sie nicht an. "Seeing in the Dark" hat nicht den simplen Anspruch, einfach nur Licht auf unbeachtete Themen zu lenken. Die Kunst ist als Medium notwendig, damit die Vielschichtigkeit des Unbekannten transportiert wird, die der Verstand alleine nicht verarbeiten könnte.