Egal wie begabt man ist, der Einstieg in die Künstlerkarriere ist kein Selbstläufer. Mit dem New Generation Art Award wollen wir jetzt Nachwuchskünstlerinnen und -künstler ins Scheinwerferlicht stellen. Der Preis, den das Unternehmen Degussa Goldhandel in Kooperation mit dem Monopol-Magazin auslobt, startete zur Berlin Art Week mit der Verkündung der ersten Shortlist. Mit HanGyol Kim, Lara Koch, Thuy Tien Nguyen, Boris Saccone und Allistair Walter wurden fünf Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die kürzlich ihren Abschluss an einer Kunsthochschule in Deutschland gemacht haben oder das in Kürze vorhaben und jetzt ihren Weg in die Kunstwelt finden müssen. Hier stellen wir nacheinander ihre Arbeit vor.
Eigentlich sind es zwei Wolken, die zu beiden Seiten des Bildes herausragen. Aber es sieht eher aus, als hätte das Gemälde ausklappbare Flügel und könnte gleich davonfliegen. "Anubis sieht zum ersten Mal die Sonne" heißt es, die genannte Sonne strahlt in der Mitte, und Anubis, der ägyptische Gott der Totenriten, sieht aus wie ein zotteliger Wolf aus einem Comic, der entsetzt die dünnen Ärmchen hochwirft. Was das heißt? "Für mich gibt es durchaus eine bestimmte Bedeutung, aber ich lege das nicht fest. Jeder soll seine eigenen Gedanken dazu haben können", sagt Boris Saccone.
Er möchte den kryptischen Raum offenhalten, den die Malerei bietet. Wir treffen uns im Atelier im Kulturzentrum Zirka, das Saccone seit seinem letzten Jahr an der Akademie der Bildenden Künste München mit einer anderen Absolventin teilt. Im kommenden Jahr zieht er in ein eigenes um, er freut sich darauf: "Musik ist etwas, das ich gerne mit anderen mache, aber beim Malen bin ich lieber allein." Musik, das ist zurzeit vor allem die Band Stabat Kater, in der Saccone Bass spielt und singt – seine Texte sind geheimnisvoll wie seine Bilder, der Sound ist punkig und rau, genauso wie die Musik, die er gerne hört.
Saccone, 1991 in Schongau im Allgäu geboren, ist seit seiner Teenagerzeit dem Punk verfallen – er gebe ihm Energie und Mut, auch wenn er im Atelier mal zweifele, sagt er. Seine Eltern sind aus sehr unterschiedlichen Richtungen nach Deutschland gekommen, der Vater aus Sizilien, die Mutter aus Russland, der Großvater, mit dem er ebenfalls aufwuchs, war Roma. Mit der Mutter war er als Kind manchmal in der Alten Pinakothek in München, war fasziniert von den Monstern eines Hieronymus Bosch, von der Malerei der Renaissance, in der alles mit Bedeutung aufgeladen ist. Doch seinen eigenen Weg als Künstler hat er lange nicht vor sich gesehen, hat erst unter anderem Soziologie studiert, bevor er sich das Kunststudium doch zutraute und in die Klasse von Gregor Hildebrandt in München aufgenommen wurde. "Ich habe etwas gesucht, das mich ganz ausfüllt, das mich auffrisst. Mit der Kunst habe ich es gefunden."
Bilder mit leisem Humor
Seine Malerei nimmt die fast spirituelle Aufgeladenheit, die allegorische Kraft der alten Meister auf und verwandelt sie mit ihren comicartigen Abstraktionen in etwas Zeitgenössisches. Sein Strich ist kräftig wie bei den Brücke-Künstlern, die Farben neuerdings eher pastellig abgetönt, verblassend. Er ist ein großer Fan des US-amerikanischen Malers Philip Guston, zitiert in einem Gemälde die göttliche Hand, die aus der Wolke kommt, und er hat auch diesen leisen Humor in seinen Bildern, in denen die Figuren immer eher scheitern als gewinnen, durchs Bild schleichen statt auftrumpfen und vielleicht den göttlichen Fingerzeig aus Dusseligkeit verpassen.
Boris Saccone ist froh, dass er sich mit der Malerei in einer analogen Welt bewegen kann und dem täglichen Einfluss der viel zu vielen digitalen Bilder entkommt. Seine Experimentierlust geht statt in den virtuellen in den physischen Raum hinein, er erweitert seine Bilder mithilfe von Skulpturen ins Dreidimensionale, oder er baut frei stehende, Altar-ähnliche Triptychen. Der Besuch des Isenheimer Altars, so sagt er, sei seine bislang eindrucksvollste Kunsterfahrung gewesen.
Seit seinem Abschluss ist es für ihn nicht schlecht gelaufen, er ist bei der Münchener Galerie Jo van de Loo gelandet, gerade steht seine erste Teilnahme an einer Gruppenausstellung in New York an. Doch Künstler zu sein, so sagt er, sei ein Hochseilakt, man dürfe nicht nach unten schauen, nur nach vorne. Und genau das ist der Plan.