Das politische Spottbild hat eine lange Tradition, und in den letzten Jahren taucht es wieder im Kunstkontext auf: Es gibt hämische Trump-Porträts (nackt, mit Mikropenis), es gibt Erdogan-Kunstwerke von zweifelhafter Qualität. Die nächste Stufe ist, gleich das Bild des unliebsamen Politikers anzugehen. Man muss schon daran glauben, dass es irgendetwas bringt: das Abbild eines Gegenspielers zu beschädigen, besudeln oder gleich zu zerstören. Das Bild als Stellvertreter, wie eine Voodoo-Puppe. Gewalt gegen Bilder ist eine hilflose Geste, mag man meinen. Das britische Künstlerkollektiv Lot5, bestehend aus sechs Porträtmalern, ist da anderer Meinung. Deshalb hat es eingeladen, ein Porträt des konservativen Politikers Boris Johnson zu, nun ja, entstellen.
Das Gemälde stammt von der Malerin Helen Masacz, und eine erste Version davon wurde ursprünglich 2010 anlässlich der "BP Portrait Awards", einem der wichtigsten Porträtwettbewerbe weltweit, in der National Portrait Gallery in London gezeigt. Zu jener Zeit war Johnson noch Bürgermeister von London. Als er das Amt niederlegte, sei sein "Fallschirm nicht ganz aufgegangen", sagte die Künstlerin. "Mit seiner lustigen Frisur, seinem Hundebaby-artigen Enthusiasmus und seiner laufenden Serie von Fehlschlägen ist er vom Kurs abgekommen." Der konservative britische Politiker Boris Johnson warb für den Brexit, unter Premierministerin Theresa May war er bis zum vergangenen Sommer Außenminister von Großbritannien.
Nach der Ausstellung in der National Portrait Gallery lud Masacz ihre Studenten dazu ein, mit Ölfarbe und Spachteln auf das Bild loszugehen. Die Besucher der Ausstellung, die am 8. November eröffnete, können jetzt die Zerstörungsaktion zu wiederholen. Denn, so sagte die Malerin, der Politiker habe seine eigenen politischen Ambitionen vor die Interessen Großbritanniens gestellt.
Das Ergebnis der Aktion wird am Ende der Ausstellung zugunsten der Obdachlosenhilfe "Shelter" versteigert.