Dramatisch hämmernde Elektro-Musik begleitet dieses filmische Stelldichein von Marina Abramović, Sigalit Landau, Katharina Sieverding und Shirin Neshat, als gelte es, ein Amazonen-Quartett bei seiner Mission möglichst martialisch in Szene zu setzen. Nein, die Dokumentation "Body Of Truth" von Evelyn Schels ist nicht gerade zurückhaltend in ihren Mitteln, wenn es darum geht, die Fokussierung der vier Künstlerinnen auf Schmerz und Verletzung einzufangen, auf die Sprache des Körpers, der niemals lügt, wie es Marina Abramović gleich am Anfang sagt, im Gegensatz zum Geist, den es der Wahrheit wegen zu überlisten gilt.
Ins direkte Gespräch kommen nur Abramović und Neshat. Das ist bedauerlich, denn so wirken die von reichlich Archivmaterial profitierenden Einzelporträts etwas konstruiert aneinandergereiht entlang einer These, die dazu dient, den Künstlerinnen in ihren Ateliers in New York City, Jerusalem, Berlin und Düsseldorf bei der Arbeit zuzusehen. Aus den hier geführten Interviews kristallisieren sich allmählich Überschneidungen des familiären Hintergrunds mit gesellschaftspolitischen Konfliktlagen heraus, wenn etwa die Israelin Sigalit Landau traumatische Holocaust-Erfahrungen ihrer Verwandtschaft mit den Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern verknüpft, um sie sich buchstäblich einzuverleiben.
Zum Beispiel in einer ihrer bekanntesten Performances, in der sie Stacheldraht wie einen Hula-Hoop-Reifen um die Hüften kreisen lässt, ähnlich einer modernen Märtyrerin, die vergangenes Leid durch Selbstgeißelung zu vertreiben versucht. Katharina Sieverding quält sich subtiler mit dem "Schlachtfeld Deutschland". Sie erschafft monumentale Selbstporträts, die das eigene Gesicht wie eine Landschaft wechselnder Identitäten befragen.
Königin der fleischlichen Selbstauslieferung
Die Iranerin Shirin Neshat schickt ihre bis auf das Gesicht verhüllten "Women of Allah" in den mit Blicken ausgefochtenen Kampf gegen den islamistischen Status quo und Abramović, die Königin der fleischlichen Selbstauslieferung, kombiniert Erinnerungen an ihre Mutter, von der sie immer wieder geschlagen wurde, mit der Selbststilisierung zu einem Medium, das Gewaltzusammenhänge offen legt.
Ob die Passionsgeschichte des Körpers nun die passende Reaktion auf das globale Elend sei, möchte man angesichts der altbekannten Reduktion der Frau aufs Physische bezweifeln. Da sehnt man sich beinahe nach Bildern fragiler Männerkörper, die dem selbstgemachten Schlamassel paritätisch als Wiedergänger Ecce homos begegnen. Und was ist eigentlich mit Schmerz, der von anderen zugefügt wird? Etwa zur "Wahrheitsfindung" mit Foltermethoden?
Das romantisch-esoterisch angehauchte Konzept einer Wahrheit des Körpers taugt nicht zur Verortung des Widerständigen, das alle vier Schmerzensfrauen auszeichnet. Auch wenn ihr Wundsein an der Welt produktive Blüten tragen mag, verspricht ein anderer Zustand mehr Heilung: "Wütend war ich eigentlich auf alle", sagt Sieverding einmal über ihre Jugend als Teil der 68er-Generation. "Wie sieht es eigentlich bei dir aus und was könnte man machen?", fragte sie sich damals. Kunst war nicht die schlechteste Antwort.