Der britische Bildhauer Tony Cragg (69) hat den geplanten Brexit scharf kritisiert. "Ich liebe mein Land", sagte der Documenta-Teilnehmer und Turner-Preisträger der Deutschen Presse-Agentur in Wuppertal. "Aber ein überspitzter Nationalismus zeugt von der Unfähigkeit, sich eine größere Perspektive zu erarbeiten."
Es sei ein fataler Fehler des ehemaligen Premierministers David Cameron gewesen, das Brexit-Referendum überhaupt anzusetzen. "Das ist das gleiche wie eine Volksbefragung darüber, ob wir Steuern zahlen sollen." Lange sei er für ein zweites Referendum gewesen. "Ich dachte, das kann man revidieren. Aber was soll das jetzt bringen? Eine endlose Bitterkeit!" Der britischen Premierministerin Theresa May warf er vor, "absolut ungeschickt" zu agieren.
Die Brexit-Verfechter hätten aus politischem Opportunismus heraus gehandelt. Dabei spiele auch ihre Unzufriedenheit darüber mit, dass Großbritannien in Europa nicht die Nummer 1 sei. "Sie hätten den Mut und die Intelligenz haben müssen, in Europa zu bleiben, und für Verbesserungen zu arbeiten", sagte der seit 1977 in Wuppertal lebende Brite, der in Rankings zu den einflussreichsten Künstlern der Welt gerechnet wird.
Er könne sich noch sehr gut daran erinnern, wie schlecht es seinem Land in den 70er Jahren gegangen sei. "Wir haben studiert, die Lichter gingen aus, da war kein Strom, da war kein Gas. Die Busse haben gestreikt, die U-Bahn hat gestreikt. Ich bin immer mit dem Fahrrad gefahren, denn ich habe nicht das Geld für ein Auto gehabt. Niemand hat Geld gehabt. Rezession, Zahlungsdefizit, Verlust der Kolonien - das waren richtig miese Zeiten."
Bis heute sei Großbritannien ein sehr kapitalistisches Land. "Genauso wie Amerika. London sieht großartig und aufregend aus. Aber fahren Sie mal nach Newcastle oder noch weiter, und dann wohnen die Leute in kleinen, elenden, nicht isolierten Häusern."