Kunstverein München

Bilderrätsel

Es sind die Nahaufnahmen, die ihre Filme so undurchschaubar machen. Die Kamera streift einen Fuß, eine Hand, eine Familie weglaufender Krabben – doch durch die Konzentration und das genaue Beobachten entgleitet einem die Handlung. Vor Keren Cytters Videos bleibt man lange sitzen, sieht sie sich wieder und wieder an, weil man hofft, endlich eine Totale zu entdecken, die die Einzelbilder zuordnet.

Sie passen nicht zu den Worten, die Taten nicht zu den Blicken und die Schauspieler nicht in den jeweiligen Film. Cytter entfremdet das alles voneinander. Sie lässt Seifenopernsätze sprechen, und weil ihre Darsteller keine gute Miene dazu machen, werden sie eben genau das: Sprüche, die man wahrscheinlich schon tausendmal irgendwo gehört hat.

Sieben Arbeiten der 1977 in Tel Aviv geborenen und inzwischen in Berlin lebenden Künstlerin sind im Münchner Kunstverein zu sehen. Eine kleine Rückschau unter dem Namen „The Hottest Day of the Year“ – zugleich der Titel eines Cytter-Videos von 2010 –, das kurze Innehalten einer Rastlosen. Keren Cytter inszeniert nicht nur kurze Filme, sie schneidet gerade einen langen, hat eine Tanzkompanie gegründet, schreibt Romane, Kinderbücher, Theaterstücke.

Trotz dieser Vielfachbegabung hatte man bisher vor allem Berlin-Mitte im Kopf, wenn man an ihre Filme dachte. Die schäbig-schönen Wohnungen, die schicken, mitteljungen Menschen, die vielleicht an Liebesproblemen, wahrscheinlich an noch viel mehr leiden („Four Seasons“ von 2009 oder „The Coat“ von 2010).

Weil Keren Cytter für jede Ausstellung stets neue Werke produzierte, war ein solcher Überblick seit 2005 in Frankfurt nicht mehr möglich. Das ist schade, denn der Kunstverein demonstriert nun, wie vielschichtig sogar die Arbeiten einer einzigen Gattung sein können. Die Videoinstallation „Cross, Flower, Rolex“, mit der sich Cytter 2009 als Nominierte des Preises der Nationalgalerie vorstellte, gewinnt im Vergleich zur ersten Präsentation im Hamburger Bahnhof Berlin an Dichte, tief geht auch der siebenteilige autobiografische Schwarz-Weiß-Film „Date Series“ aus dem Jahr 2004.

So viele Nahaufnahmen. Die Münchner Schau zeigt wenigstens eine Halbtotale, auf die Künstlerin selbst. 

Kunstverein München, bis 27. März