Surreales Präsidenten-Treffen

Politik im Puppenhaus

Von links: Jill Biden, First Lady der USA, Jimmy Carter, ehemaliger Präsident der USA, seine Frau Rosalynn Carter, ehemalige First Lady der USA, und Joe Biden, Präsident der USA, sitzen im Haus der Carters für ein gemeinsames (ziemlich verstörendes) Foto zusammen
Foto: Adam Schultz/The White House/AP/dpa

Von links: Jill Biden, First Lady der USA, Jimmy Carter, ehemaliger Präsident der USA, seine Frau Rosalynn Carter, ehemalige First Lady der USA, und Joe Biden, Präsident der USA, sitzen im Haus der Carters für ein gemeinsames (ziemlich verstörendes) Foto zusammen

Bisher war die Präsidentschaft von Joe Biden visuell ziemlich unantastbar. Nun aber hat ein merkwürdiges Foto vom Besuch beim Ex-Staatsoberhaupt Jimmy Carter für Verwirrung und einen surrealistischen Moment gesorgt

Dass Politiker unter Selbstüberschätzung leiden, dürfte weniger eine Ausnahme denn eine Berufskrankheit sein. Trotzdem ist das Foto vom Besuch des aktuellen US-Präsidentenpaares Joe und Jill Beiden bei ihren Amtsvorgängern Jimmy und Rosalynn Carter bemerkenswert. Die Bidens, die ein wenig unbequem auf dem himmelblauen Teppich knien, scheinen gegenüber den in Sesseln sitzenden Carters geradezu gigantisch. Als hätten sich zwei Riesen in ein politisches Puppenhäuschen verirrt. Wollte man böse Absicht unterstellen (Donald Trump war beispielsweise dafür bekannt, sich auf Fotos gern mit robusten Mitteln in den Vordergrund zu rücken), könnte man das Foto so interpretieren, dass ein amtierender Machthaber seine Vorgänger schrumpfen lassen will. Was allerdings nicht so recht zu den ersten 100 Tagen der Biden-Amtszeit passen will, denn bisher ist das First Couple seit ihrer perfekt inszenierten und glamourösen Inauguration eher durch Stilsicherheit und visuelle Achtsamkeit aufgefallen.

Der Besuch bei den Carters wirkt dagegen wie ein Ausflug in ein Puppenhaus-Kunstwerk von Laurie Simmons oder eine surrealistische Installation von Größenverzerrer Ron Mueck - und ist somit ein seltenes Irritationsmoment in der bislang souveränen Inszenierung aus dem Weißen Haus. Die Erklärung für das magische Wachstum der Bidens (oder die Verzwergung der Carters) dürfte übrigens das eingesetzte Weitwinkel-Objektiv in einem relativ kleinen Raum sein, wie beispielsweise die Bildredakteurin Carly Earl im "Guardian" erklärt. Dieses sei nötig gewesen, um alle vier Personen aus geringer Distanz aufs Bild zu bekommen. 

Die Monopol-Kolumnistin Theresia Enzensberger hat kürzlich geschrieben, dass man die emotionale Resonanz auf ein Foto auch daran ablesen kann, wie viele Memes aus ihm gemacht werden. Und natürlich stürzte sich "das Netz" auf die kuriose Aufnahme. Die Bidens wurden noch riesiger und die Carters noch winziger gephotoshoppt. Die Muppets kamen zu Besuch, und auch Alice im Wunderland schaute vorbei. Außerdem durfte ein alter Bekannter nicht fehlen: der mürrisch dreinschauende und inzwischen ikonische Bernie Sanders in Strickfäustlingen, der seit dem Tag der Amtseinführung im Januar in der digitalen Bildwelt herumgeistert.