Wer den Künstler So Kanno in seinem Kreuzberger Atelier besucht, fühlt sich in die Werkstatt eines Daniel Düsentriebs versetzt: Über einem Schreibtisch direkt neben der Eingangstür hängt ein riesiges mit Werkzeugen gespicktes Steckbrett, an einem weiteren Arbeitsplatz vor dem Fenster stehen zwei Rechner, in den Regalen an den Wänden türmen sich fein säuberlich beschriftete Kisten voller Schrauben, Kabel und Steckplatten, aus einem auf dem Boden liegenden aufgeschraubten Hoverboard ragen freiliegende Drähte. "Der Antrieb von diesen Geräten ist sehr stark", erklärt So Kanno, "daher verwende ich sie sehr gern als Motor für meine Maschinen."
Mit der Programmierung von Robotern befasst sich der gebürtige Japaner seit etwa 15 Jahren, eines seiner ersten Werke war eine Graffitimaschine, die selbstständig Wände besprühte. "Was mich am Programmieren so fasziniert ist der Aspekt, dass ich etwas schaffen kann, das sich bewegt und ein Eigenleben entwickelt", erklärt So, der seit 2013 in Berlin lebt und arbeitet.
International ist er mit seinen Werken schon äußerst erfolgreich: So wurde er unter anderem bereits beim Japan Media Arts Festival und von der Ars Electronica ausgezeichnet, im vergangenen Jahr war er bei der Ausstellung "Artists & Robots" im Pariser Grand Palais vertreten. In seiner Wahlheimat Berlin waren seine Arbeiten dagegen bisher selten zu sehen.
"Es ist schon erstaunlich - einerseits leben und arbeiten in Berlin so viele weltweit renommierte Digitalkünstler. Anderseits haben sie hier vor Ort noch immer nicht die Sichtbarkeit, die man eigentlich erwarten könnte", findet die freie Kuratorin Jasmin Grimm.
Gemeinsam mit Julian Adenauer betreibt sie die Berliner Plattform Retune Creative Technology und arbeitet daran, Berlins digitaler Kunstszene auch direkt vor Ort mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Seit Jahren organisieren die beiden Studiobesuche bei Berliner Kreativen, außerdem richten sie das Retune Festival sowie weitere Ausstellungen und Konferenzen aus.
Am 10. und 11. April kuratieren die beiden in der Station Berlin eine Pop-Up-Ausstellung für den Digitalverband Bitkom und den Elektronikhersteller Samsung. Im Rahmen des Business Festivals hub.berlin zeigen sie auf 600 Quadratmetern die Werke von insgesamt 12 in Berlin lebenden Digitalkünstlern und Kollektiven.
Die unterschiedlichen Positionen führen vor, wie spannend und vielfältig die Szene ist.
So präsentiert So Kanno mit "Lasermice" gleich ein ganzes Ensemble kleiner rollender Roboter, die mithilfe von Licht und akustischen Signalen ihre Umgebung erkunden und miteinander kommunizieren wie ein Schwarm von Tieren.
Lina Wassong hat sich auf digitales Modedesign spezialisiert. Mittels 3D-Druck, Lasercutting und physical computing entwirft sie futuristische Mode, die Technik auf einer emotionalen und ästhetischen Ebene erfahrbar macht.
Der Musikwisenschaftler und Ingenieur Moritz Simon Geist kreiert seine Techno-Tracks ausschließlich mithilfe selbstgebauter Roboter. Er arbeitet mit dem Berliner Musiker Mouse on Mars zusammen und performt regelmäßig auf internationalen Festivals.
Jan Bernsteins kinetische Skulpturen bestechen durch ihre minimalistische Bildsprache. Beim Digital Arts Lab zeigt er Arbeiten aus seiner Reihe "digitalism is dead", einer Serie von Flipdot Displays, welche durch elektromagnetische Motoren angetrieben werden und so immer neue poetische Konstellationen bilden.
Friedemann Banz und Giulia Bowinkel (Banz & Bowinkel) erzeugen Bilder im virtuellen Raum. In ihren "Body Paintings" wird der Körper zum Avatar dessen Bewegungen in amorphe Farbkörper übersetzt werden.
Carla Chans Arbeiten spielen häufig mit den verschwommenen Grenzen zwischen Realität und Illusion, Figur und Abstraktion. Ihre kinetische Installation "Between Happening" besteht aus einem Magneten, der Eisenpulver über einen gerahmten Siebdruck bewegt und so immer wieder neue Silhouetten einer stetig werdenden und vergehenden Landschaft erzeugt.
Sofia Crespo befasst sich mit Künstlicher Intelligenz, Bilderkennungsmechanismen und neuralen Netzwerken. Für ihr Projekt "Neuraler Zoo" lotet sie das kreative Potenzial maschinellen Lernens aus, indem sie Algorithmen fantastische neue Tier- und Pflanzenarten erschaffen lässt.
Die Berliner Studios kling klang klong und Schnellebuntebilder kreieren audiovisuelle Performances, immersive Installationen und interaktive Werke, die sich häufig an der Schwelle zwischen Kunst, Design und Wissenschaft bewegen. Ihre Virtual-Reality-Arbeit "Mirror" lädt den Betrachter dazu ein, seinen eigenen Bewegungen nachzuspüren.
NEEEU ist ein multidisziplinäres Designstudio, das Raumerlebnissen zwischen analog und digital erschafft. Ihre Musik-App Aero Two ermöglicht es, mit dem Smartphone Klänge im physischen Raum "abzulegen" und so auf virtuellen Instrumenten zu spielen.
Die Duftkünstlerin und Experimentalfilmerin Klara Ravat erforscht das Reich menschlicher Erinnerungen und Erfahrungen. Für das Digital Arts Lab entwickelt sie Duftkompositionen für die Digitale Welt - zum Beispiel Dating-Apps, humanoide Roboter oder autonome Fahrzeuge.
Studio Milz verbindet Software- und Interface-Design mit Rapid Manufacturing. Mit der "Joyn Machine" haben die Berliner eine intelligente Fräsmaschine entwickelt, die es ermöglicht, Holzgerüste zu entwerfen und halbautomatisiert zu sägen.
"Wir freuen uns sehr, dass wir solch hochkarätige Künstler für die Ausstellung gewinnen konnten und mit Samsung einen starken Partner gefunden haben, der dieses ambitionierte Projekt aktiv unterstützt", so Bitkom-Geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. "Als Digitalverband ist es uns ein Anliegen, digitaler Kunst und Kunst, die sich mit digitalen Themen auseinandersetzt, mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Das Digital Arts Lab ist für uns ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg."
"Bei Samsung sind wir der Überzeugung, dass der Mensch nicht einfach nur passiver Nutzer digitaler Technologien und Dienstleistungen sein sollte", so Steffen Ganders, Director Corporate Affairs bei Samsung. "Vielmehr sollten wir Soft- und Hardware als Werkzeuge betrachten, die wir aktiv benutzen um selbst kreativ zu werden und uns auszudrücken. Die Künstler des Digital Arts Lab treten in dieser Hinsicht als Pioniere und Avantgardisten auf: Sie tauchen tief in die Funktionsweise neuer Technologien ein und machen sie sich zu Eigen, um etwas Neues und Einzigartiges zu schaffen. Daher unterstützen wir das Digital Arts Lab gerne und hoffen, dass es eine breite Öffentlichkeit erreicht."
Das Digital Arts Lab ist am 10. und 11. April in der Station Berlin zu sehen. Alle Künstlerinnen und Künstler werden an beiden Tagen anwesend sein, und im Rahmen von Vorträgen Einblick in ihre Arbeiten geben. Nähere Infos zum Programm und kostenlose Tickets gibt es auf der Website der Veranstaltung.