Ausstellung im Gropius Bau

In Berlin wird der Garten zur Metapher für die Gegenwart

Ob als Paradies, Sinnbild für Kolonialisierung oder den Klimawandel: In der Ausstellung "Garten der irdischen Freuden" im Berliner Gropius Bau nähern sich Künstlerinnen und Künstler dem Motiv des Gartens an. Wir verlosen Tickets

In ihrem neuen Essayband "Freiheiten" schreibt die britische Autorin Zadie Smith über Nostalgie. Eine Regung, die man durchaus als Gefühl der Stunde bezeichnen kann; sehnen sich doch überall Brexiteers und US-Republikaner und europäische Rechtspopulisten nach vermeintlicher vergangener Größe. Zadie Smith fragt, wem dieses Gefühl eigentlich zur Verfügung steht. Sie als schwarze Frau müsste sich faktisch in eine Zeit zurückwünschen, in der sie ohne Bürgerrechte oder schlimmstenfalls als Sklavin aufwachen würde.

Um das Innen und Außen von paradiesischen Orten geht es auch in der Ausstellung "Garten der irdischen Freuden" im Berliner Gropius Bau. Die Gruppenschau zweigt vom Ur-Nostalgieort des Paradiesgärtchens ab (aus dem der Mensch durch die Unersättlichkeit der Apfel essenden Frau vertrieben wurde) und zeigt zeitgenössische Positionen zum Thema gezähmte Natur.

Am spannendsten ist die Ausstellung, wenn es tatsächlich um die Zugänglichkeit von paradiesischen Orten geht. Jumana Manna zeigt in ihrem
kargfarbigen Film "Wild Relatives", wie syrische Agrarwissenschaftler bis in die Samenbank im arktischen Spitzbergen reisen, um im Exil im Libanon einen Bruchteil der kriegsverlorenen Vegetation zurückzugewinnen. Die südafrikanische Künstlerin Lungiswa Gqunta hat einen gemein scharfkantigen Rasen aus zerbrochenen Cola-Fläschchen gebaut, in denen wässrig-blaue Tinte steht. Mit solchen Scherbeninstallationen verbarrikadieren in ihrer Heimat reiche, meist weiße Gartenbesitzer ihre Grundstücke. Die gläsernen Warnungen gelten vor allem der schwarzen Bevölkerung, die die privaten Paradiese nicht betreten sollen – außer sie sind als Personal zum Rasenmähen da.

Eigentlich sollten die Flaschen mit blauem Benzin gefüllt sein, die Installation sollte nach Molotowcocktails stinken. Offenbar war das den Besuchern und Mitarbeitern des Gropius Baus dann doch nicht zuzumuten. Die Gerüche, die durchaus durch die Ausstellungsräume wehen, sind erdig wie Rindenmulch und süß wie Nachtjasmin.

Überhaupt ist der Rest der Schau eher sinnlich-schwelgend und gibt sich in opulenter Ästhetik vor allem den im Titel genannten Freuden des Gartens hin. Das kunstgeschichtliche spirit animal ist dabei eine Kopie des "Gartens der Lüste" von Hieronymus Bosch am Eingang der Ausstellung. Mit dieser Reverenz tut sich die Schau aber nicht unbedingt einen Gefallen, denn auf dem Wimmelbild von ca. 1500 sind derart viele Spielarten des körperlichen Exzesses abgebildet, dass sogar die Videoinstallation von Zheng Bo, die Männer beim Sex mit Farnen zeigt, ein wenig zahm wirkt. Die ordentlich eingetopften Zimmerfarne zwischen den Bildschirmen zeigen genauso wie Hicham Berradas in künstlicher Nacht lebende Duftpflanzen, dass die Möglichkeiten eines Naturerlebnisses im Museum dann doch beschränkt sind.

Man braucht großen technischen Aufwand, um das zu reproduzieren, was draußen von ganz allein passiert. Deshalb sind gerade die digital überdrehten Garten-Installationen von Heather Phillipson und Korakrit Arunanondchai treffend gegenwärtig. Wir wollen Natur erleben und bewahren, aber ein Zugang ohne Verzerrung und Verklärung ist uns gar nicht möglich. Wo viele der Künstler Sehnsucht nach Authentizität schüren, erzählen die quietschbunten Zimmer vom hypermedialisierten Blick auf die Vergänglichkeit. Die Füße im Rindenmulch, aber die Augen auf dem Bildschirm, wo eine digital verdrehte Idylle gezeigt wird, die es nie gab.

Auch die Nostalgie ist nur eine flüchtige Erinnerung von damals.

Monopol verlost 5x2 Tickets für die Ausstellung. Für die Teilnahme an der Verlosung bitte eine E-Mail mit dem Betreff "Garten", sowie mit dem Vor- und Nachnamen und einer gültigen Postadresse, bis Mittwoch, den 25. September, um 12 Uhr an info(at)monopol-magazin.de schicken. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt und die Karten werden per Post verschickt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.