Warum Björk im MoMA? Im Vorfeld der Ausstellung, die der isländischen Musikerin gewidmet ist, gab es eine Menge Aufregung. Allerdings waren die Museumstüren, die dienstfertige Geister vor dem lavaartig anrollenden Björk-Hype schnell schließen wollten, im Fall des Museum of Modern Art schon immer sperrangelweit offen: Natürlich ist es ebenso sinnlos, ein Björk-Musikvideo als Kunstwerk mit, sagen wir, einem Palermo-Dreieck vergleichen zu wollen, obwohl beide im selben Museum hängen, wie es sinnlos wäre, den grünen Hubschrauber mit seiner wespenaugenförmigen Glaskapsel, der über dem Foyer des MoMA schwebt, mit einem Barnett Newman ein paar Säle weiter zu vergleichen. Aber das MoMA ist eben nicht zufällig eine Heimstatt für dies alles, es beherbergt, und das ist der Reiz dieses Museums, Kunst. Design, Fotografie (derzeit ist auch die hervorragende Schweizer Fotosammlung Walther zu sehen), Architektur – und Pop.
Nun hat aber Björk nicht das MoMA einfach nur betreten, sie hat es im Sturm genommen, und der Gedanke ist natürlich nicht so erhaben, dass eine Menge Leute in der Björk-Warteschlange stehen werden, die sonst Museen nicht mal mit dem Hintern ansehen würden. Aber Pop kann nun mal nur groß. Natürlich ist Björk im Video "Big Time Sensuality" (1993), welches sie im Marusha-90er-Look auf einem fahrenden Truck tanzend zeigt, gleich in Godzilla-Größe an die Wand des Atriums geworfen, natürlich hat sie sich gleich ein mehrstöckiges Haus im Haus für die Musik und auch für die Instrumente, Notizbücher, Clips und Kleider bauen lassen, die gezeigt werden. Und es gibt mit dem neuen "Black-Lake"-Video nebst neuem Album auch das notwendige Novelty-Feeling gratis dazu.
"Black Lake", eine Art filmischer Vermählung Björks mit kalter und heißer, blau strahlender Lava, inhaltlich ein Resümee ihrer gescheiterten Beziehung zu Matthew Barney, ist beeindruckend – und gibt den Ton vor für die ganze Ausstellung: Es geht um Emotion und Empathie, um Überwältigung, nicht in erster Linie um museale Präsentation. Die gibt es auch: Beeindruckende, eigens entwickelte Musikinstrumente, die teils aussehen wie eine Mischung aus Harfe und Kraftraumfolterwerkzeug, sind im Foyer aufgestellt; die Designerteile aus den Videos von Alexander McQueen bis Bernhard Willhelm, teilweise kombiniert mit Arbeiten von Matthew Barney, sind großartig und schön inszeniert.
Doch all das ist eingebettet in eine Erzählung, die einen sozusagen in Björks Kopf hineinversetzen soll, und wer sich einmal in dieses vor Sensationen flirrende Universum hineinbegibt, kann sich darin verlieren. Eine neuartige Technik des Sponsors Volkswagen macht es möglich, dass man, vermittels Headset, ein jeweils maßgeschneidertes akustisches All-over erfährt, aus dem es dann aber natürlich schwer ist, wieder zur Kontemplation, zur ästhetischen Distanz zurückzufinden. Während man also in engen, nachtschwarzen Kabinetten an Gedichten in Notizkladden von der jungen Björk und an etwas gruseligen Wiedergänger-Mannequins der Sängerin, die die wundervollen Kostüme von Schwanendress bis quietschbunte Kugelente tragen, vorbeiflaniert, flüstert eine Stimme, untermalt von einem Björks-Soundtrack, etwas vom Herzen der Sängerin als ihrem wichtigsten Begleiter und dass es sich in eine durchsichtige Qualle verwandle. Oder so.
Für diese Passage der Ausstellung gibt es also ein Skript, sie ist als ein auf Mode konzentrierter, musikalisch umspielter Parcours sozusagen eine kleinere Variante der Alexander-McQueen-Ausstellung im Metropolitan vor ein paar Jahren, bleibt aber zentriert auf die Person Björk, bei der nicht ganz klar wird, was sie hier eigentlich ist: Künstlerin, Kunstwerk oder Co-Kuratorin – oder all das zusammen?
Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich habe bereits ein paar Museen besucht und es hier schlicht vermisst, mehr Informationen an die Hand zu bekommen: Wie sind die Videos, die ja schließlich jedermann auch zuhause anschauen kann, eigentlich entstanden? Wie kam es zu den Kollaborationen mit den Modedesignern? Wie hat die zeitgenössische Kunst auf Björk reagiert (zum Beispiel Pipilotti Rist)? Wie entstanden bestimmte Songs von Björks mittlerweile ja schon einige Jahrzehnte umfassendem Werk genau, wie wurden sie produziert? Aber dafür gibt es dann wahrscheinlich den Katalog. Und vor einem Palermo-Dreieck fühlt man sich, so toll man es findet, manchmal ja auch ziemlich alleine gelassen ...
Björk, Museum of Modern Art, New York, 8. März bis 7. Juni. Katalog gestaltet von M/M, vier Booklets im Schuber, 65 Dollar. In der März-Ausgabe von Monopol finden Sie ein Interview, das der Kurator Klaus Biesenbach mit Björk geführt hat, das Manuskript zu einem Märchen, das Björk als Teenager ersann und illustrierte und einen Text über die Metamorphosen der Sängerin