Gold, Silber, Kupfer, Eisen – nur sehr wenige vom Menschen bearbeitete Werkstoffe sind dauerhafter als Metall, das Formen über Jahrtausende bewahrt. So konnte der Hobbyarchäologe Heinrich Schliemann Ende des 19. Jahrhunderts in Kleinasien 8000 Objekte ausgraben, die über 4000 Jahre alt sind. Schliemann ließ den vermeintlichen "Schatz des Priamos" ab 1881 in Berlin präsentieren, im damaligen Kunstgewerbemuseum. Heute heißt dieses Gebäude Gropius Bau und der Schatz befindet sich in Moskau. Der Schliemann-Saal allerdings ist noch vorhanden und wird für Wechselausstellungen genutzt – ab September von Thea Djordjadze.
Exakt 140 Jahre nach der pompösen Präsentation der Funde stellt die georgische Künstlerin in sechs Räumen des Gründerzeitbaus ihre installativen Arbeiten aus, denen alles Triumphierende abgeht. Djordjadze hat in Tiflis, Amsterdam und an der Kunstakademie Düsseldorf studiert, wo sie Meisterschülerin von Rosemarie Trockel war. Ihr Werk zeichnet sich durch seine präzise Leichtigkeit und scheinbare Beiläufigkeit aus, die Arbeiten bestehen aus Materialien wie Stoff, Gips, Gummi oder Pappmaché und erwecken den Eindruck einer prekären Balance.
Kein Zwang, sich in einen Diskurs einzuklinken
Mit den Konventionen musealer Präsentation hat Djordjadze es nicht so. So wird es in ihrer Schau keine Wandtexte geben und in den von ihr gern verwendeten Vitrinen liegen auch keine Schriften oder Bücher aus, wie es der Trend zur informationsgesättigten Ausstellung erwarten ließe. Man wird nicht gezwungen, sich in Diskurse einzuklinken, für die die Kunstwerke eine Stellvertreterposition übernehmen. Die Objekte sind selbst der Diskurs oder vielmehr ihr Zusammenspiel. Das bedeutet auch, dass die Platzierung der Arbeiten erst sehr spät festgelegt wird.
Für ihre internationalen Ausstellungen, sagt die Künstlerin, sehe sie sich die Räume vor Ort an und arbeite dann mit der Erinnerung an sie in ihrem Berliner Atelier weiter – je nach Entfernung ist ein Besuch oft nur ein oder zweimal möglich. Nicht so in Berlin, wo sie seit 2009 lebt. "Im Gropius Bau", sagt sie, "kann ich immer wieder hingehen und den Raum in verschiedenen Zuständen anschauen." Dazu zählt auch das sich verändernde Tageslicht, das Djordjadze bevorzugt und von dem es in den hohen Räumen reichlich gibt.
Djordjadzes Kunst unterläuft die Hierarchien. Displays, Vitrinen, Regale oder Sockel – eigentlich als unterstützend und funktional wahrgenommene Dinge – kommen in ihren Installationen als Objekte zu eigenem Recht, werden in ihrer Eigenart erst begreifbar. Sie hätten aber dennoch eine Funktion, erklärt die Künstlerin, "als Träger. Aber ich versuche ihre eigentliche Funktion so minimal wie möglich zu nutzen und die Displays auch als Kunstwerke zu betrachten. Da ist eine Spannung zwischen dem, was darauf ist, und dem Display selbst. Ich kann Display, Raum und Objekt auch nicht trennen, das hängt alles zusammen."
Die Leinwände sind auch Skulpturen
Auch Malerei ist Teil von Djordjadzes Praxis, und auch dort fließen Rahmen und Leinwand zusammen, und zwar buchstäblich. Ihre Leinwände, sagt sie, seien eigentlich Skulpturen – in eigens angefertigte Rahmen wird Gips gegossen und dann bemalt, wie bei einem Fresko.
Wie findet man zu solchen Formen? Djordjadze arbeitet nicht mit offensichtlichen autobiografischen Bezügen. Einen jedoch verrät sie. In ihrer Kindheit, die sie in Tiflis in Georgien verlebte, besuchte sie häufiger das Simon-Dschanaschia-Museum, das die bedeutendsten archäologischen Funde des Landes aufbewahrt. Für diese teils goldenen Objekte hatte der Anthropologe Alexander Javakhishvili gemeinsam mit dem Maler Avto Varazi in den 1950ern Vitrinen, Displays und Wände angefertigt, die noch bis in die 1990er-Jahre genutzt wurden.
Da es keine Spot-Beleuchtung gab, hatte man die archäologischen Objekte mit handbemalter Jute hervorgehoben, eine intime, minimalistische und geschmackvolle Präsentation von Dingen, die sonst gern in Pomp und Gloria präsentiert werden. Womit wir wieder bei Schliemanns Schatz des Priamos wären. Und der Erkenntnis, dass, wie man etwas ausstellt, genauso wichtig sein kann wie das, was man ausstellt. Auf den Dialog von Thea Djordjadzes antimonumentaler Kunst mit der Gründerzeit-Architektur des Gropius Baus darf man jedenfalls gespannt sein.