Konfliktzone Architektur: Alejandro Aravenas Motto "Reporting from the Front" für die diesjährige Architekturbiennale klingt vielleicht etwas sehr kriegerisch, engagiert ist es allemal. Die Architektur der Prachtbauten und Glanzperioden, die Selbstinszenierungen von Stararchitekten – das ist fürs Erste vorbei. Und tatsächlich haben sich auch viele der Beiträge sowohl in den Länderpavillons als auch in der von Aravena selbst verantworteten Hauptausstellung den virulenten Krisenthemen verschrieben, allen voran der Migrationsproblematik.
Albanien, ein kleines Land, das bereits mehrfach mit einer außergewöhnlichen Biennale-Präsentation überrascht hat, überzeugt mit einem Projekt, das sich sensibel dem Thema Migration nähert. Hier wurde weniger gebaut als reflektiert: Zehn eigens produzierte Texte sind in polyphoner Form übertragen und auf Vinyl aufgenommen worden. Eindringlich suchen klagende Stimmen in einer kaum mehr geübten Gesangstechnik in den Sälen des Arsenales ihren Raum.
Finnland stellt in seinem Pavillon in den Giardini die Frage nach Migration und Identität in einem sich verändernden Europa anhand der Wohnungssuche. Wie diese beiden Länder hat auch Deutschland einen Open Call für Venedig ausgerufen und dabei ebenso einen wichtigen Länderbeitrag lancieren können, dessen politische Botschaft verkürzt "Wir sind offen" lautet.
Architektonische Durchbrüche öffnen das Gebäude in alle Richtungen – plötzlich öffnet sich der Blick auf die Adria. Und es entsteht Platz für die Diskussion über Unterkünfte für Flüchtlinge. Symbolisch ist die Inszenierung bis ins Detail stimmig – so wurden Ziegelsteinmöbel designt, die nach Ablauf der Ausstellung in den Wiederaufbau des Pavillons integriert werden.
Der Österreich-Pavillon einige Schritte weiter ist zwar konzeptuell weniger konsequent, dafür macht er sehr praktische Vorschläge, wie aus leer stehenden Immobilien Flüchtlingsunterkünfte werden können: Mobil einsetzbare Textilien oder modulare Bauregale können helfen, Orte wenigstens temporär wohnlich zu gestalten und dabei die Grundbedürfnisse nach Privatheit und Intimität abzudecken.
Und sonst? Spanien erhielt den Goldenen Löwen für seinen der Baukrise gewidmeten Pavillon, Polen setzt dem anonymen Bauarbeiter ein berührendes Monument, Serbien verweist selbstironisch auf die prekären Arbeitsbedingungen im Bausektor.
Abfallbewirtschaftung, Wohnungsnot, Ressourcenknappheit und alte, wiederentdeckte Baumaterialien wie Lehm oder Bambus sind weitere globale Themen dieser Architekturbiennale. Optimismus – ein Wort, das normalerweise jedem Bauprojekt eingeschrieben ist – lässt sich auf der Biennale 2016 nicht ausmachen. Aber hie und da keimt ein Funken Hoffnung auf, dass sich die anstehenden Probleme zumindest irgendwann in den Griff bekommen lassen.