Bauhaus-Anhängern ist August Diehl gerade noch als strenger Moderne-Pionier Walter Gropius in der Serie "Die neue Zeit" begegnet. Am Donnerstag, 30. Januar, startet sein neuer Film in den deutschen Kinos. Im bildgewaltigen Drei-Stunden-Epos "Ein verborgenes Leben ("A Hidden Life") des Hollywood-Regisseurs Terrence Malick ("Badlands", "Tree of Life") spielt August Diehl den österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, dessen beschauliches naturnahes Leben im Zweiten Weltkrieg zerbricht. Als er einen Eid auf Hitler schwören soll, weigert er sich und wird zu einem stillen Märtyrer. Im Gespräch beschreibt Diehl die Zusammenarbeit mit dem öffentlichkeitsscheuen Terrence Malick und die Kraft eines einfachen "Neins".
August Diehl, der Film "Ein verborgenes Leben (A hidden life)"basiert auf einer wahren Geschichte. Was hat Sie daran gereizt?
Ehrlich gesagt, das Allererste, was mich gereizt hat, war Terrence Malick. Die Möglichkeit, mit ihm diesen Film zu machen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es war wegen der Geschichte von Franz Jägerstätter. Von ihm habe ich zum ersten Mal von Terrence gehört. Er ist ja in Deutschland nicht sehr bekannt, in Österreich ein bisschen mehr, am meisten in Amerika. Aber mich auf eine Reise zu begeben, mit einem Regisseur, den ich bewundere, das ist das Größte.
Terrence Malick polarisiert – Cineasten lieben oder hassen ihn. Wie ist es Ihnen mit ihm ergangen?
Ich kannte seine Filme, und wenn man seine Filme kennt, merkt man, dass da eine bestimmte Art von Suche ist, die einen interessiert. Ich war 18 oder 19, als ich "Badlands" und "Days of Heaven" gesehen habe, und ich glaube, es war das erste Mal, dass ich wirklich gedacht habe: "Film ist das Größte, was es gibt". Das bringt alles zusammen. Das ist eine so unglaubliche Gewalt: die Schauspieler, die Musik, alles, was da zusammenkommt. Das meiste was ich tue, mache ich aus Neugier zu den Leuten, mit denen ich arbeite. Gar nicht so sehr, weil mich die Story interessiert oder zwingend die Figur. Das kommt als Zweites oder Drittes. Es geht mehr darum, in eine Fantasiewelt einzutauchen.
Für "Ein verborgenes Leben" hat Malick mit vielen deutschen Schauspielern und ohne fertiges Script gearbeitet. Manchmal ließ er eine Einstellung beim Dreh bis zu 20 Minuten laufen. Was war die größte Herausforderung in der Zusammenarbeit?
Anfangs war es sehr schwer für mich. Ich musste mich lange daran gewöhnen, dass ich den Überblick nicht mehr habe. Aber ich bin ganz gut im Adaptieren und darin, mich völlig hinzugeben, wenn ich jemandem vertraue. Das war bei Terrence sehr schnell der Fall. Man stößt an Grenzen, aber das geschieht immer, wenn man arbeitet. Und es war auch nicht alles einfach und harmonisch. Es gab auch Streit. Aber all das aber immer im Sinn des Richtigen und des Guten. Immer im Sinne der Sache.
Valerie Pachner spielt die weibliche Hauptrolle, Franziska Jägerstetter, die Frau von Franz. Im Gegensatz zu Ihnen kannte Sie Malicks Filme vorher nicht. Sie sagte, dass sie froh froh darüber war, denn es hätte ihr erspart in Ehrfurcht erstarren zu müssen.
Ja, das ist ja immer seltsam. Aber in dem Moment, wenn man die großen Helden trifft, vergisst man die Ehrfurcht, weil man Schauspieler ist und weil man arbeitet. Und in dem Moment, wo man mit jemandem arbeitet, vergisst man den ganzen Ruhm und das ganze Drumherum und ist ganz fokussiert. Das ging mir auch mit Tarantino so. Und dann ist da natürlich Terrence Malick. Der öffnet sich einem, gibt einem die Chance, ihn kennenzulernen. Alles, was wir in dem Film gemacht haben, basiert auf Vertrauen. Das hat mit Wärme und Menschlichkeit zu tun. So banal das klingt. Erst nach den Dreharbeiten habe ich plötzlich gedacht: "Ich habe ja mit Terrence Malick einen Film gedreht!".
Franz Jägerstetters Frau Franziska unterstützt ihn darin, für das einzustehen, was er für richtig hält. Sie hat akzeptiert, dass das für ihn den Tod bedeutet, und für sie ein Leben als Witwe, die ihre Kinder allein großziehen muss.
Dieser Film handelt von einer Person, die sich entscheidet, ihre Familie zu verlassen. Jemand, der in diesem Moment von einer großen Sicherheit für etwas bestimmt wird. Und seine Frau ist bei ihm. Das ist sehr stark. Das ist etwas, was sehr schwer spielbar ist. Es ist ein innerer Monolog. Ein innerer Konflikt. Darüber kann man schwer einen Film machen, weil es keine Dialoge gibt. Es wird sehr wenig geredet, es gibt wenig äußere Konflikte, und das macht für mich den Film so stark. Denn ein inneres "Nein" bringt Sand in eine wohl geölte Maschinerie. So, dass alles knirscht, alles kurz anhält, alles kurz unangenehm wird.
Wie schätzen Sie die historische Figur Jägerstätter ein?
In seinem Fall ist das "Nein" eine persönliche, naive Entscheidung, politisch ohne Intention. Es ist nicht wie bei den Geschwistern Scholl oder anderen Intellektuellen, die Widerstand geleistet haben. Das "Nein" ist einfach und klar und kindlich. Das ist das Irre bei Franz Jägerstätter. Dass er einfach nicht mitgemacht hat. Ein Bauer, der einfach so sagt: "Das kann ich nicht. Ich habe schon einen Eid geschworen. An Gott. Ich kann keinen zweiten schwören." Das macht selbst bei jemandem, der vielleicht ein glühender Nazi ist, irgendeine Tür auf. Und die Leute haben bis zu seinem Tod sehr seltsam auf Jägerstätters Sanftheit reagiert. Die waren irritiert. Sein sanftes "Nein" hatte eine große Kraft. Das hat mir während des Drehs Trost gegeben, sodass ich gedacht habe: "Vielleicht kann man die Welt verändern, indem man zu bestimmten Sachen einfach nur Nein sagt"
Sie haben es gerade angedeutet, Jägerstätter war glühender Katholik. Welche Rolle spielt der Glaube bei seiner Entscheidung, Nein zu sagen?
Wenn ich über Franz Jägerstätter spreche, meine ich immer nur meinen Franz Jägerstätter. Ich kann mir nicht anmaßen, wirklich etwas über den echten Franz Jägerstätter zu sagen. Er war gläubig. Klar. Aber in unserem Film spielt etwas anderes eine Rolle, nämlich ein Gewissen, ein unglaubliches Gefühl davon, was richtig und was falsch ist. Und unser Film handelt von jemandem, der sich dieses Gefühl bewahrt hat und deswegen so handelt, wie er es tut. Es geht auch um Spiritualität und Religion. Aber das ist Nebensache. Eigentlich geht es um etwas Humanes, um etwas, das uns ausmacht. Und deswegen bin ich dankbar, dass der Film nicht wahnsinnig religiös ist. Natürlich war der Katholik. Und es ist auch der Hauptgrund, warum er Nein gesagt hat. Aber man muss dazu nicht Katholik sein. Man muss auch nicht spirituell sein. Man braucht einfach nur ein geschärftes Bewusstsein des Gewissens. Wenn man das hat, dann kann man sagen: "Ohne mich".