Personal Shopper

Auf Verlobungsring-Jagd mit Milen Till

Diesmal hat Personal Shopper Hans Bussert eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe. In München kauft er mit Künstler Milen Till einen Verlobungsring für dessen Freundin 

Eigentlich beginnt diese Kolumne schon paar Wochen vorher, auf dem Berliner Gallery Weekend. Ich hatte gerade einen Text über eine Serie von Milen Till für ein anderes Magazin geschrieben, als ich ihn im "Themroc" auf der Torstraße treffe. Dorthin hatte Gregor Hildebrandt nach der Eröffnung von Josephine Mecksepers Ausstellung in seinem Projektraum geladen. Dazu muss man wissen: Gregor ist Milens Professor an der Münchener Akademie. Er holte ihn in seine Klasse, nachdem er eine von Milens Arbeiten in einem Münchener Schaufenster entdeckte: "Rock’n’Roll 1984" – ein Skateboard, das auf zwei sich drehenden Plattenspielern steht. Milen hatte zusammen mit seinem Bruder Amédée zehn Jahre lang unter dem Namen "Kill The Tills" als DJ gearbeitet. Jedenfalls wurde die Nacht sehr lang und wir verstanden uns gut.

Nun sind wir zu einem Einkaufsbummel verabredet. Es soll eine entspannte Tour durch Münchens Trödelgeschäfte werden – Tandler, wie man hier sagt. Wir treffen uns im Münchener Stadtmuseum, wo jeden Freitag "der Pauli" Hof hält. Eine Legende der Auer Dult, dem dreimal jährlich stattfindenden Markt und Volksfest, der seinen Laden jetzt im Museumsshop betreibt. Erst einmal setzen wir uns aber in das zum Museum gehörenden Café, um zu besprechen, was eigentlich gekauft werden soll. Braucht Milen etwas für seine anstehende Ausstellung in der Galerie Crone? Und würden wir das auch finden? Das Problem bei Flohmärkten und ähnlichem ist ja, dass man selten auf das stößt, wonach man eigentlich sucht. Milen druckst ein wenig herum, dann zieht er einen kleinen Zettel aus seinem Portemonnaie. Als er ihn auseinandergefaltet hat, sehe ich in der Mitte ein circa 10 Cent-Stück großes Loch. Darüber steht "Ringfinger Linke Hand". Darunter: "Ruscha".

Der Heiratsantrag per Facetime zog nicht so richtig

Es folgt eine Liebeserklärung. Milen erzählt mir davon, wie sie sich in der Kölner Bar Zwei kennen gelernt haben, wie er ihr einmal beim Umzug half und sie am nächsten Tag spontan nach Paris gefahren sind. Und auch von diesem dramatischen Treffen auf der Deutzer Brücke: Auf seiner Seite regnete es noch, sie kam aus der Sonne: "Das war schon irgendwie der perfekte Moment." Ich merke wie meine elektrisierte, absolut Paul-Sahner-mäßige Reporterstimmung einem Gefühl der Verantwortung weicht. Ist er sich denn sicher? Die Kolumne setzt ihn doch ziemlich unter Zugzwang. "Es gibt Sachen, die weiß man einfach." Aber das wusste er auch schon nach acht Wochen, da hat er ihr einen Antrag über Facetime gemacht. Das kam bei Ruscha aber nicht so gut an. Jetzt will er es noch einmal richtig machen – und mit Ring.

Also los. Wir gehen rüber zu Pauli, der inmitten seiner Bierseidl, Porzellanfiguren und überhaupt allem sitzt, was zu so einem Trödelstand gehört. Wir geben vor, uns für dieses oder jenes zu interessieren und hören dabei Pauli zu, wie er zwischen hochdeutsch-gefärbtem Bayrisch und bayrisch-gefärbten Englisch wechselt. Die alles entscheidende Frage muss der Pauli aber verneinen: Er hat leider keine Ringe. Um dem Shopping-Glück ein wenig auf die Sprünge zu helfen, lässt Milen sich den Superkatalog "Kunst der sechziger Jahre" aus einer Ausstellung des Wallraf-Richartz Museums zurücklegen. Das ist ja so eine Shoppingregel: Das man schon am Beginn einer Tour was kauft, um sich und sein Portemonnaie in Stimmung zu bringen. Sich zumindest etwas zurücklegen zu lassen, ist schon mal nicht schlecht.

Die letzte Hoffnung vor Tiffany

Nach einem Weißwurst-Stopp auf dem Viktualienmarkt und einem Besuch der Trödeloase – auch hier keine Ringe – geht es an der Deutschen Eiche vorbei und über den Gärtnerplatz zu Palma Kunkel. In dem Geschäft in der Frauenhoferstrasse dann ein großes Hallo: Die Besitzerin Marille kennt Milens Mutter und überhaupt die ganze Familie. Noch größere Verzückung über die tolle Neuigkeit. Wie soll man auch nicht begeistert sein? Milen ist so offensichtlich verliebt, dass man sich einfach mit ihm freuen muss.

Es herrscht also sofort eine seelige Grundstimmung im Laden und eine Mitarbeiterin beginnt, Schmuckschatullen mit Ringen hervorzukramen. Marille rät unbedingt dazu, einen der älteren Ringe zu wählen, denn alles nach 1960 hat "einfach nicht mehr so einen Glow". Aber deshalb sind wir ja hier, Milen will einen echten Vintage-Ring. Palma Kunkel ist unsere letzte Hoffnung vor Tiffany.

Ein paar der schlichteren Silberringe mit dezent funkelnden Steinchen kommen in die engere Auswahl. Dann entdeckt Milen einen Ring aus dem 19. Jahrhundert: Er besteht aus drei Einzelringen, deren Schließe aus zwei ineinander gelegten Händen ein kleines Herz versteckt. Verziert werden die Hände von zwei roten Steinen. Der Ring ist wirklich sehr besonders und wir sind uns sicher, den tollsten aller Ringe hier und überhaupt entdeckt zu haben. Leider gibt es ein Problem: Aufgrund der Konstruktion lässt er sich nicht einfach so weiten. Mit einem Ringstock fummeln wir so lange an Milens Muster von Ruschas Ringfinger herum, bis wir meinen, das Loch hätte sich so weit ausgefranst, der den Durchmesser immer weniger ausfüllende Ring müsse nun doch sicher passen. Ganz wohl ist uns aber dabei nicht und ich komme meiner Pflicht als Personal Shopper nach: Ich rate Milen, noch einmal eine Nacht drüber zu schlafen. Das Schmuckstück wird also zurückgelegt.

Hochzeit mit Döner und Milchreis

Wir gehen zurück ins Stadtcafé. Milen erzählt, er wolle Ruscha am liebsten am Starnberger See heiraten. Es soll Döner und Milchreis geben und dazu legt sein Bruder auf – eine Familienparty. Dann klingelt sein Telefon. Es ist Marille von Palma Kunkel: Der schöne Ring lässt sich ganz sicher weiten, ein bisschen zumindest. Als er hört, dass der Ring Ruscha tatsächlich passen wird, ist Milen sehr glücklich und mit einem Mal auch das: "Ziemlich nervös. Ich checke gerade erst, dass wir eben einen Verlobungsring ausgesucht haben."

Am nächsten Tag schickt Milen mir ein Foto des Rings. Er liegt in einer Schatulle in Herzform. Eine Bitte hat er noch: Ob ich den Text mit einem Zitat von ihm beenden könne? Aber natürlich: "Ruscha, willst du mich heiraten?"

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Update: Sie hat "ja" gesagt.