Wenn Geta Brătescu Kunst macht, verfolgt sie eine Linie. Formal, indem sie Striche, Konturen und Silhouetten zu abstrakten Gebilden verdichtet. Inhaltlich, indem sie wiederholt das Thema der eigenen Erinnerung aufgreift. Seit mehr als 60 Jahren arbeitet die rumänische Konzeptkünstlerin weitgehend zurückgezogen in ihrem kleinen Atelier in Bukarest. Doch erst vor einigen Jahren wurden Galerien und Museen auch außerhalb von Rumänien auf die Künstlerin aufmerksam. Zu ihrem 90. Geburtstag widmet die Hamburger Kunsthalle ihr jetzt eine umfassende Retrospektive.
In den 70er-Jahren, als die Kunst in Rumänien vor allem dem Regime des kommunistischen Diktators Nicolae Ceauşescu dienen musste, entstanden Brătescus bekannteste Arbeiten. Damals zensiert sie eine Reihe von Selbstporträts, indem sie Augen und Mund mit Klebestreifen abdeckt. Die Bilder spiegeln die Lebenssituation in einem sozialistischen Rumänien wider, in dem die künstlerische Praxis nur im privaten Raum des eigenen Ateliers, abgesondert von der Gesellschaft stattfinden kann. Aus der Not, im Studio auf sich selbst gestellt zu sein, entwickelt Brătescu einen besonderen Körper- und Raumbezug. So wird ihre eigene Hand zum Modell ("Hand", 1974–76) und das Atelier zum Alter Ego ihrer selbst ("The Studio", 1978).
Die Hamburger Ausstellung versammelt zahlreiche Schlüsselwerke der Künstlerin, darunter "Die Regel des Kreises, die Regel des Spiels" von 1985: In der Serie verschmelzen bunte Flächen, Muster und Strukturen zu poetischen Konstrukten. Die Kreise wirken wie ein Zufluchtsort, der ähnlich wie das Atelier der Künstlerin als natürlicher Schutzraum fungiert. Von hier aus übersetzt Brătescu die Welt und ihre vielen Formen in die Wirklichkeit und hebt die Abstraktion zu einer für sie unbestreitbaren visuellen Wahrheit.