Hamburg (dpa) - «Ecofavela Lampedusa-Nord» hat das Hamburger Künstlerkollektiv Baltic Raw seinen Aktionsraum für Flüchtlinge im Garten der Kulturfabrik Kampnagel genannt. Dabei sieht es gar nicht wie eine Favela aus: Hinter der Holzfassade des rund 100 Quadratmeter großen Gebäude betritt der Besucher einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit einem großen Holztisch für rund acht Personen, links eine relativ geräumige Küche mit Kühlschrank, Spüle und zwei Herdplatten. Rechts eine Dusche mit Blümchenvorhang. Vom Aufenthaltsraum gelangt man in fünf kleine Zimmer, die ziemlich spartanisch, aber praktisch eingerichtet sind: Das Bett kann an die Wand geklappt werden, es gibt einen kleinen Tisch, Regale und eine grüne Zimmerpflanze.
«Verglichen mit den üblichen Aufenthaltsorten für Flüchtlinge ist dieser Bau immer noch luxuriös», sagt Künstlerin Móka Farkas von der Künstlergruppe Baltic Raw, die diesen Aktionsraum mit ihrem Kollegen Berndt Jasper und Flüchtlingen der Gruppe «Lampedusa in Hamburg» entworfen hat. Vor rund zwei Jahren strandeten rund 300 Afrikaner in der Hansestadt: Die Wanderarbeiter waren 2011 vor dem Krieg in Libyen über die Insel Lampedusa nach Italien geflohen. Die italienischen Behörden hatten ihnen Touristen-Visa für den Schengenraum ausgestellt. Seitdem fordern sie ein kollektives Bleiberecht für die Gruppe in Hamburg, mehr als 70 von ihnen haben inzwischen offizielle Anträge auf Bleiberecht gestellt.
Für das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel hatte Baltic Raw einen Nachbau des alternativen Zentrums Rote Flora als Spielort errichtet. Statt diesen wie geplant zu demontieren, schlugen sie vor, den Raum winterfest und für Flüchtlinge nutzbar zu machen. «Wir möchten auf eine künstlerische Art und Weise Flüchtlingen einen Staatsbürgerstatus verleihen», erklärt Farkas, die selbst mit 16 Jahren aus Ungarn nach Deutschland kam. Die «Ecofavela» solle den Flüchtlingen bis Anfang Mai Wärme, Schutz und die Möglichkeit zu sozialen Kontakten geben. Auch künstlerische Projekte und andere Beschäftigungsmöglichkeiten werden geprüft, so hat einer der Flüchtlinge begonnen, Kleider auf einer alten Nähmaschine zu nähen.
Rund 15 000 Euro kamen durch Crowdfunding und Stiftungen für den Umbau zusammen. «Wir haben auch ökologische Aspekte und das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigt», sagt Jasper. Das Wasser kommt von Zisternen, die Wärme von Infrarotkollektoren. Für Asuquo Udo, Sprecher der Gruppe «Lampedusa in Hamburg», ist mit dem Projekt ein Traum in Erfüllung gegangen: «Endlich bekommen wir den Respekt, auf den wir so lange gewartet haben», sagt der Nigerianer. Überhaupt hätten die Flüchtlinge von den Menschen in Hamburg enorm viel Unterstützung erhalten, nur die rechtliche Anerkennung fehle immer noch. «Wir wollen doch arbeiten, uns nützlich machen und uns eine Zukunft aufbauen», sagt der 49-Jährige.
Auch Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard unterstützt das Projekt: «Es geht nicht darum, Flüchtlingsheime zu bauen, sondern es geht darum, dass eine andere Dialogkultur über die Flüchtlingsfrage entsteht und eine künstlerische Begegnung.» Niemand könne das Migrations- und Flüchtlingsthema nur ansatzweise lösen, außerdem werde viel pauschaliert: Bei diesem kleinen Projekt könne man Kontakt auf Augenhöhe praktizieren, sich gegenseitig zuhören und bestenfalls künstlerisch zusammen arbeiten. «In verschiedenen Städten entstehen derzeit beispielhafte Projekte mit neuem Zugang im Umgang mit Flüchtlingen.» Carola Große-Wilde
"Ecofavela Lampedusa-Nord" in Hamburg