Kunstmesse Art Brussels

Das Profil schärft sich wieder

Die Art Brussels feiert ihre 40. Ausgabe im Schatten des Atomiums, bangt um ihren Standortvorteil und besinnt sich auf ihre Stärke als Entdeckermesse

Wie bringt man den Surrealisten René Magritte und die Filmregisseurin Chantal Akerman unter einen Hut? Indem man seinen Stand im Trompe-l'oeil-Stil gestaltet. Schließlich wissen die Belgier sich selbst zu feiern. Das beweist die Galerie Anne-Laure Buffard mehr als eindrücklich. Zum 40. Geburtstag der Art Brussels haben sich die zeitgenössischen Surrealisten Bachelot & Caron eine augenzwinkernde Inszenierung gegönnt und auf einer Staffelei ein Fotogemälde platziert, das an Magrittes "Der bedrohte Attentäter" anspielt. Burleske keramische Objekte, Vasen, Pilze, Fischfrauen und Melonenhüte, spielen neben Magritte auch auf Szenen aus Akermans Klassiker "Jeanne Dielman, 23 quai du commerce, 1080, Brüssel" an. Die "Attentäter" auf dem Gemälde lassen sich als die Künstler und die Galeristin identifizieren. Inwiefern sie bedroht sind, versteht man aber erst, wenn man sich auf den Nachbarständen genauer umsieht.

Die Aufkleber mit dem roten Herz und den weißen Großbuchstaben ART findet man auf Standtischen und Galeristinnenrevers, auch Messedirektorin Nele Verhaeren trug ihn ostentativ in den überfüllten Gängen der Vernissage, als Zeichen des Protests gegen die Pläne der belgischen Regierung, die 2025 den Mehrwertsteuersatz auf Kunst von 6 auf 21 Prozent zu erhöhen plant. "Der Standortvorteil wäre dahin, sollte das Vorhaben umgesetzt werden", so Verhaeren. "Das betrifft nicht nur den Kunstmarkt. Auch die lokale Kunstszene bekäme die Zurückhaltung der Sammler zu spüren, nicht zu vergessen die Tourismusbranche und die Gastronomie, die von einer gut laufenden Art Brussels profitieren."

Und sie lief gut. Bereits nach drei Stunden begegnete man in allen fünf Sektionen "Prime", "Discovery", "Invited", "Solo" und "Rediscovery" gefühlt an jedem zweiten Stand der 177 Galerien, die sich letztes Mal noch auf 152 bezifferten, roten Punkten. Bei 10 A.M. ART aus Mailand in der Sektion "Discovery" flimmerten sie gleich als Schwarm über den 1.000 bis 40.000 Euro teuren Monochromien mit nervenschonenden Titeln wie "Leggero" oder "Bianco+Bianco" des Italieners Sandra De Alexandris. Die Galerie Mind Set Art Center aus Taipeh hatte es mit den unterbelichteten Fotografien des Rumänen Dani Gherca in der gleichen Sektion schwerer. Die Luftaufnahmen von Stadtlandschaften reflektieren den aktuellen Übergang zu einer neuen Phase des menschlichen Bewusstseins in einer Zeit, in der sich das Leben aufgrund technologischer Umwälzungen verändert und auf einen endlosen Datenfluss zusammenschrumpft.

Nur zwei "Entdeckungen", die den Ruf der Messe als ertragreiches Terrain für Suchende jenseits der üblichen Trampelpfade unter Beweis stellen. Gut, dass man diesen zuletzt etwas schwächelnde Vorteil wieder stärker in den Vordergrund stellt. 60 Galerien stammen diesmal aus Belgien. Der Rest kommt überwiegend aus Europa, darunter Rückkehrer wie Thomas Zander, Massimo de Carlo, Thomas Schulte oder Air de Paris. In der Sektion "Invited", wo der Stand nur 5.000 Euro kostet, trifft man auf den Kurator Nicolaus Schaffhausen, der in Brüssel direkt neben dem Bozar die Galerie Kin betreibt und am Messestand Dorota Jurczak, Andrzej Steinbach, Zuza Golińska und Liam Gillick zeigt, oder die Londonerin Rose Easton, die aus dem Modebereich kommt. Die in Italien verwurzelte Galerie Spiaggia Libera aus Paris kuratiert nebenan ihren Stand zum Thema "Göttliche Begierden", was man nicht allzu wörtlich verstehen sollte.

Offenbar verfügt die experimentierfreudige belgische Sammlerschaft vor allem bei Jüngeren weiterhin über große Anziehungskraft. Nach wichtigen Kuratoren-Namen fischt man neuerdings auch vermehrt, indem man ihnen Jurytätigkeiten für die stetig wachsende Anzahl von Preisvergaben anbietet. Nicht, dass etablierte Positionen fehlen würden. Wer sich mit Werken von Christo, Jaume Plensa, Mark Manders, Vivian Suter, Ugo Rondinone, Arthur Jafa oder Alex Katz eindecken möchte, bekommt in der gut bestückten Sektion "Prime" bei Großgalerien wie Gladstone, Lelong & Co. oder Xavier Hufkens dazu die Gelegenheit. Bei Templon darf man sogar über die meisterlichen Nähkünste der 33-jährigen Französin Jeanne Vicerial staunen, die rüstungsähnliche, komplett in Schwarz gehaltene Samuraiskulpturen erschafft.

Es lohnt sich aber unbedingt, die Augen vor allem jenseits der gleichförmigen White Cubes des "Prime"-Sektors offen zu halten. Da verfliegt dann auch mal die gefällig dekorative Buntheit der hochpreisigeren Werke und Abgründe tun sich auf, wie bei der Galerie Monitor aus Rom, die mit den melodramatischen, auf dem Neoklassizismus des 17. Jahrhunderts basierenden Gemälden des 1977 geborenen Italieners Nicola Samori zwangsläufig an die Konfliktlagen der Gegenwart erinnert, wenn die Oberflächen der kopierten Bilder alter Meister verstümmelt sind, oder die dargestellten Personen gefoltert werden.

Umwerfend auch die Skulpturen der in Brüssel lebenden Yasmina Assbane am Stand der Galerie Anca Poterașu aus Bukarest. In der Tradition einer Meret Oppenheim oder Alina Szapocznikow widmet sich Assbane vertrauten Objekten, die hauptsächlich Frauen zugeschrieben werden. Nylonstrümpfe, Spiegel und Stofffasern werden durch Demontage ihrer Funktion entleert und in seltsam erotische "Essutensilien" in Form einer muschelartigen Vulva, oder dornige Eierstöcke verwandelt. Preislage dieser pelzigen Spitzenware? Nur wenige Tausend Euro. Noch.