Würde man sich ausschließlich auf Kunstmessen aufhalten, könnte man ein ganz bestimmtes Bild unserer Gegenwart bekommen. Krisen sind implizit präsent, aber der Vibe ist ungebrochen optimistisch – so auch auf der Armory Show in New York.
Der jüngst veröffentlichte "Intelligence Report" der Website "Artnet" zeigt, dass der Kunstmarkt vielleicht ein bisschen weniger Grund für Optimismus hat: Die Post-Covid-Realität hat einen Riesenbissen weggenommen, heißt es dort. Möglicherweise seien die fallenden Preise aber auch eine Rückkehr zur Realität; eine Genesung nach steigenden Preisen für Bilder von Alten Meistern, nach dem fiebrigen NFT-Hype und seiner hyperbeschleunigten Dynamik, schreibt "Artnet"-Chefredakteur Andrew Goldstein.
184,2 Millionen US-Dollar wurden bei Auktionen vom Jahresbeginn bis zum 20. Mai für ultra contemporary Werke ausgegeben – so nennt man die Kategorie für Künstlerinnen und Künstler, die nach 1974 geboren sind. Das sind über 25 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, und dabei war das einmal das am schnellsten wachsende Marktsegment.
Eine bestimmte Art von Kunst
"Es ist zu früh, über Verkäufe zu sprechen!", sagt Nicole Berry, die seit 2017 die New Yorker Messe leitet, am Preview-Tag in ihrem Büro hoch über den klimatisierten Hallen des Javits Center. "Aber einige Galerien haben schon Verkäufe abgeschlossen. Und die Armory Show war schon immer eine gute Messe, wenn man verkaufen will, denn zu dieser Jahreszeit kommen die Leute aus den Sommerferien. Außerdem wird diese Woche das Tennisturnier US Open ausgetragen, und es ist Fashion Week. Eine gute Energie."
Würde man sich nur auf Kunstmessen aufhalten, bekäme man auch eine bestimmte Art von Kunst zu sehen. Die Stände zeigen viel Malerei und ein bisschen Skulptur. Installationen sind selten und Bewegtbild ist beinahe gar nicht zu sehen. Vieles nimmt sich auf eingängige Art dringender Themen an. Beispielsweise der Stand von Macaulay+Co, einer Galerie aus Vancouver, präsentiert Gemälde von Lawrence Paul Yuxweluptun, einem amerikanischen Ureinwohner, der sich mit der Umweltzerstörung seines Heimatlandes befasst.
Sean Skelly zeigt Anthony Akinbola, parallel zu einer Einzelausstellung mit dem Künstler in der Galerie nur eine Straße weiter. Akinbolas großformatige Textilarbeiten aus Du-Rags, einer Art Kopftuch, befassen sich mit Schwarzer Amerikanischer Identität. Die Außenwelt ist präsent, aber an den engen Messeständen und inmitten der Reizüberflutung in den Hallen gehen die komplexen Fragen – Identität, indigene Landnutzungsrechte – , mit denen sich die Kunst sonst beschäftigt, im Lärm unter.
"Es wird weiterhin gekauft"
Seit die Konkurrenzmesse Frieze – und die dahinter stehende Entertainment-Firma Endeavor – in diesem Sommer die Armory Show übernommen haben, teilt sich die Gesellschaft mit der Art Basel den globalen Kunstmarkt, beinahe zumindest. Dazu hat Frieze noch die Expo Chicago übernommen, früher einmal eine der bedeutendsten Messen in Nordamerika, heute eher eine regionale Veranstaltung mit Fokus auf den Mittleren Westen. "Mit der Marke Frieze", so zitiert "Art Newspaper" den Händler Hollis Taggart, "kann die globale Position der Armory Show sich nur verbessern." Er erwartet mehr internationale Aufmerksamkeit, vor allem aus Ostasien.
Kunstmessen ähneln einander, aber die Befürchtung ist: Es wird alles noch homogener, wenn der weltweite Markt in der Hand von zwei mächtigen Playern ist, eine Welt, die reibungslos für Sammler und Sammlerinnen zu navigieren ist, ein internationaler Airspace, bei dem man schonmal durcheinander kommen kann, ob man gerade eine Messehalle in Basel, Hongkong oder New York betritt.
"Nunja", kontert Berry, "ich habe mich erstmal darauf konzentriert, diese Messe so gut wie möglich über die Bühne zu bringen. Die Debatten darüber, was diese Übernahme in Zukunft bedeutet, müssen erst noch stattfinden. Alles andere wird die Zeit zeigen." Aber sie sagt auch: "Es ist doch verständlich, warum Frieze die Armory Show und Expo Chicago übernehmen wollte. Schließlich sind die USA der größte Kunstmarkt der Welt. Allerdings gibt es beide Messen schon länger, und die Gäste kommen weiterhin, es wird weiterhin gekauft."
Schnellkurs in Moderne für Nordamerika
Ihren Namen verdankt die Messe einem legendären Vorbild, denn 1913 fand erstmals eine Ausstellung namens Armory Show statt, die nach Chicago und Boston wanderte. Das war keine Verkaufsschau, sondern eine Gruppenausstellung, die auf Initiative von drei Künstlern damals zeitgenössische Werke präsentieren sollte.
In einer riesigen ehemaligen Exerzierhalle wurden Impressionismus und die entstehende europäische Avantgarde des 20. Jahrhunderts gezeigt, eine Art Schnellkurs in Moderne für Nordamerika. Viele Jahrzehnte später, 1994, gründeten vier Galeristen und eine Galeristin die Armory Show, die nicht sofort diesen Namen trug. Aber nachdem die Messe 1999 erstmals in der Armory abgehalten wurde, benannte man sie fortan nach der alten Ausstellung, auch nach zahlreichen Umzügen behielt sie den Titel.
Nun gibt es in New York noch eine weitere große Kunstmesse, die Frieze New York. Berechtigt also die Frage, wie sich die Armory Show eigentlich davon absetzt – oder ob sie das möchte, denn man könnte sich beispielsweise auch vorstellen, dass der Konzern beide Messen fusionieren lässt. "Wir haben ein loyales Publikum", sagt Nicole Berry. "Viele kommen seit 1994. Und wir sind in jeder Hinsicht eine internationale Messe, mit Ausstellenden aus 35 Ländern, und mit internationalen Sammlerinnen und Sammlern. Viele wollen hier Kontakte zum US-Markt knüpfen." Und sie sagt noch: "Wir haben unsere Nische gefunden. Wir bilden die Vielfalt der Kunstwelt ab."
Wie ist die ökologische Nachhaltigkeit einer Messe?
Wie die meisten Messen hat die Armory Show noch ein Programm, das außerhalb der Hallen stattfindet: Installationen am Rande der US Open, Skulpturen in Parks. Und auf den gewaltigen Bildschirmen am Times Square läuft nachts ein animiertes Video der in Pakistan geborenen Künstlerin Shahzia Sikander, das fiktive Miniaturmalereien imaginiert.
Bloß ist es nicht so, dass sich die Woche um die Armory Show anfühlt wie ein Saisonstart. Zwar hat das Museum of Modern Art am Armory-Wochenende eine Ed-Ruscha-Retrospektive eröffnet. Aber andere Institutionen starten ein, zwei Wochen später, oder gar erst im Oktober, einige Galerien in Chelsea, unweit des Messegeländes, sind auch noch im Umbau.
Die große, unbequeme Frage, an der so vieles hängt, bleibt. Wie steht es um die ökologische Nachhaltigkeit einer Messe wie der Armory Show? "Das ist ein sehr wichtiges Thema", sagt Berry. "Wir haben überall Recyclingstationen, und wir ermutigen die Ausstellenden, so viel wie möglich Müll einzusparen, bei der Verpackung zum Beispiel."
"Es ist momentan nicht an uns, das vorzuschreiben"
Dabei sind die Emissionen vielleicht das größte Problem: Transporte, Anreise von Sammlerinnen und Journalisten. Berry: "Wir schlagen vor, Werke per Sammelversand zu schicken. Es wäre toll, wenn die Transporte auf dem Seeweg laufen würden – aber es ist momentan nicht an uns, das vorzuschreiben."
Das Rahmenprogramm der Messe umfasste ein Panel zur Klimareform in der Kunstwelt. Dort wurde über Maßnahmen an Institutionen gesprochen, bloß um Messen ging es nicht. Dabei gibt es, darauf weist Whitney McGuire, Associate Director of Sustainability am Guggenheim Museum, im Anschluss hin, die Gallery Climate Coalition. Der Zusammenschluss gibt Richtlinien heraus, wie sich Emissionen – beispielsweise von Reisen, Transporten, aber auch Verpackungsmüll – im Kunstbetrieb reduzieren lassen. Außerdem hilft die Gruppe dabei, Green Teams zu etablieren, die die Abläufe in Galerien und Institutionen auf ihre Nachhaltigkeit prüfen.
Während all dem ächzt die Stadt New York unter Hitze und extremer Luftfeuchtigkeit. In den Nächten kühlt es kaum ab, und erst am letzten Messetag verschafft Regen, der beinahe den ganzen Sonntag anhält, ein wenig Linderung.