"Akademie [Arbeitstitel]" in Düsseldorf

Archiv und Akribie

Es lässt sich nicht bestreiten, der Begriff Archiv klingt auch immer ein wenig nach Staub, nach Daten, Akten, Zahlen, nach Versessenheit und Akribie, oder anders formuliert: nach Liebe zum Detail. Im Emporensaal der Kunsthalle Düsseldorf ist zum Ende der Ausstellung eine Hängung zu sehen, in der genau das auf verschiedene Weise umgesetzt wird

Stefanie Glauber, die an der Kölner KHM studiert, sammelt schon seit längerem Doodle-Listen aus dem Internet, die öffentlich einsehbar im Netz schwirren. Für die Ausstellung hat Stefanie Glauber alle Listen der bekannten Terminplanungssoftware, die während der gesamten Laufzeit gültig sind, gesammelt und von Hand abgeschrieben. Ob die Terminplanung auf der Arbeit, die nächste Vereinssitzung, Yogastunden oder LAN-Partys – alles ist für alle sichtbar. Die Künstlerin hat ihre Tabelle chronologisch und nach Vornamen sortiert, jeder Tag der Ausstellung entspricht einer Spalte. Die Zu- und Absagen der Teilnehmer_innen hat sie mit ja/nein und als Fragezeichen in die Tabellen eingetragen. Als Gesamtes betrachtet ergibt sich dabei ein abstraktes Muster, eine Struktur und eine fast schon absurde Poesie. Unweigerlich kommt das Beuys'sche "Ja Ja Ja Ja Ja ... Nee Nee Nee Nee Nee" in den Kopf, eine Performance, die Beuys zusammen mit Henning Christiansen und Johannes Stüttgen 1968 nur ein paar Meter entfernt in der Kunstakademie aufführte. Zwei Worte – die Essenz der Unzahl an Entscheidungen, die jeder Mensch tagtäglich trifft.

 

Auch öffentlich im Netz abrufbar sind unzählige online aufgegebene Strafanzeigen von Polizeiwachen in ganz Deutschland. Die Gruppe XPRNC, bestehend aus Sujin Bae und Jonathan Lemke, Absolventen aus der Klasse von Aernout Mik in Münster, präsentiert an jedem Tag der Ausstellungslaufzeit eine Anzeige, die irgendwo in Deutschland erstattet wurde, und legt sie in einer Vitrine aus. Aus Datenschutzgründen sind bestimmte Hinweise und Details aus den Anzeigen, die Rückschlüsse auf Personen zulassen würden, geschwärzt, so dass jede_r Betrachter_in die Taten mit eigenen Assoziationen und Erinnerungen auffüllen und ergänzen muss.

 

Das archivarische Interesse von Rozbeh Asmani, Absolvent der KHM, ist dagegen eher ein visuelles. Seit 2012 arbeitet er mit geschützten Farbmarken: Firmen können seit 1995 beim Europäischen Patent- und Markenamt Farben als Teil ihrer Corporate Identity patentieren lassen. Das Milka-Lila war das Erste, das Blau der Deutschen Bank oder die unverwechselbaren Aldi-Farben sind lägst untrennbar mit den Marken verbunden. Asmani hat alle 72 bislang geschützten Farben gleichberechtigt groß als quadratische Flächen ausgedruckt und in chronologischer Reihenfolge nach dem Datum ihrer Registrierung gehängt. Auch wenn jede Zuschreibung auf den Tafeln fehlt und der Verweis auf die Marken nur als Liste in einer davorstehenden Vitrine vorhanden ist, sind bestimmte Marken eindeutig und nur aufgrund ihrer Farbe erkennbar, so prägnant haben sie sich ins kollektive Gedächtnis geschrieben. Indem er die geschützten Farbmarken als künstlerische Arbeit "reclaimt" und öffentlich ausstellt, befreit er sie ein Stück weit aus der Vereinnahmung durch kapitalistisch agierende Konzerne und führt sie zurück auf das, was sie sind: Farben.

Text: Leonie Pfennig