Gleich mit seinem ersten Bauprojekt landete er einen Welterfolg: Mit Anfang 30 bekam Meinhard von Gerkan den Zuschlag für den Berliner Flughafen Tegel, der bei vielen bis heute Kultstatus genießt als "Flughafen der kurzen Wege". Zusammen mit seinem Partner Volkwin Marg realisierte er Bauwerke in aller Welt - darunter das Nationalmuseum in Peking, Fußball-Stadien in Südafrika und Brasilien und eine Millionenstadt nahe Shanghai. Sein zweiter Berliner Flughafen, der von Pleiten, Pech und Pannen begleitete BER, sorgte dagegen für Negativschlagzeilen. Jetzt ist der Architekt Meinhard von Gerkan im Alter von 87 Jahren gestorben.
"Ich wurde Architekt aus Leidenschaft und bin es seitdem immer geblieben", betonte der Mann mit der Brille und dem vollen, weißen Haar in seinem Buch "Black Box BER" (Quadriga Verlag, 2013), in dem er gnadenlos abrechnete. Dass er, der einzigartige Bauwerke in aller Welt errichtete, nach der geplatzten Eröffnung des Hauptstadtflughafens fristlos vor die Tür gesetzt wurde, hatte ihn schwer getroffen. Gerkan, der wegen seines Perfektionismus und seiner temperamentvollen Art nicht immer als einfach galt, sprach von Willkür und Demütigung.
Am 3. Januar 1935 wird Meinhard von Gerkan im lettischen Riga geboren. Seine Kindheit ist geprägt von den Katastrophen des Zweiten Weltkriegs: Der Vater kommt 1942 als Soldat an der Ostfront ums Leben, die Mutter stirbt kurz nach der Flucht von Posen nach Niedersachsen.
Eine beispiellose Erfolgsgeschichte
Der Junge wächst in Pflegefamilien auf, seit 1949 in einer Hamburger Pfarrerfamilie. Er besucht mehrere Schulen, macht schließlich 1955 sein Abitur an einem Abendgymnasium. Zunächst studiert er Jura und Physik in Hamburg, entscheidet sich dann für ein Architekturstudium in Berlin. Hier lernt er auch seinen späteren Partner Volkwin Marg kennen; zusammen gehen beide an die TU Braunschweig.
Nach dem Diplom gründen die beiden in Hamburg ihr bis heute weltweit renommiertes Büro gmp (Gerkan, Marg und Partner). Es folgt eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Heute arbeiten weltweit mehr als 400 Beschäftigte für das Büro, das Hunderte erste Preise in Wettbewerbsverfahren gewonnen und mehr als 370 Bauten fertiggestellt hat. Darunter sind die Neue Messe Leipzig mit ihrer gewaltigen gläsernen Tonne über dem Mitteltrakt, die Flughäfen in Hamburg und Stuttgart, der Berliner Hauptbahnhof, der Umbau des Berliner Olympiastadions sowie Bauwerke in Asien, Südafrika und Brasilien.
"Wir versuchen jede Entwurfsaufgabe auf möglichst wenige Kernfragen zu verdichten, um darauf die selbstverständliche Antwort zu finden", beschrieb Gerkan ihr Konzept. Fachleute bescheinigen dem Büro, sich von den zu engen Konventionen moderner Architektur befreit und die eigenen Entwürfe, basierend auf den bevorzugten Materialien Stahl und Glas, stärker in Bezug zum historischen Umfeld gebracht zu haben.
"Stets für gute Architektur gekämpft"
Sein langjähriger Partner Marg würdigte seinen Mitstreiter am Donnerstag auch für seinen offenen Blick in die Zukunft: "Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitenden in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden", so Marg laut Mitteilung. "Wir haben zusammen stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren. Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros."
In seiner Antrittsvorlesung 1974 an der Braunschweiger Hochschule forderte Gerkan, die Arbeit der Architekten müsse "darauf gerichtet sein, Architektur dem Denk- und Handlungsraum von Konsumware zu entreißen und ihr die Wertstelle von Kulturgut zu geben."
Legendär der Prozess um den Berliner Hauptbahnhof. Schon die Eröffnungsfeier hatte Gerkan boykottiert, weil der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn eigenmächtig das Gleisüberdach verkürzt hatte und zudem im Untergeschoss die geplante filigrane Gewölbedecke strich - zugunsten einer simplen Flachkonstruktion. Im Prozess kommen Gerkan die Tränen, er gewinnt in erster Instanz, später gibt es einen Vergleich. Mit seiner Klage gegen die "mutwillige, nicht abgestimmte Verschandelung" schuf Gerkan 2006 einen spektakulären Präzedenzfall des Architekten-Urheberrechts.