Ein Schaf auf einer Chaiselongue vor den Wellen des pazifischen Ozeans? Ein schwarzer Obelisk, der auf einem Tisch steht, umringt von einer bürgerlichen Familie? Auf dem Höhepunkt der Gegen-Kultur waren aufwändige Plattencover wie diese möglich. Und dann ein weißer Lichtstrahl, der auf ein Prisma trifft. Es fächert sich auf in die Spektralfarben von Violett bis Rot. Statt einem Foto der Band abstrakte Kunst auf einem Cover - das ist der Stoff für Legenden.
50 Jahre ist es her, dass das Album "The dark side of the moon" von Pink Floyd erschienen ist. Ausgedacht hat sich das Prisma-Motiv nicht die Band, sondern die britische Grafikdesign-Agentur Hipgnosis, die mit Entwürfen für Led Zeppelin, Genesis oder Black Sabbath berühmt wurde.
Aubrey Powell und Storm Thorgerson haben sie Ende der 1960er-Jahre gegründet. Ihre Wohngemeinschaft galt als Treffpunt der Musikszene, man kannte einige der Musiker bereits aus der Schulzeit. Der Name Hipgnosis geht auf das Konto des früheren Pink-Floyd-Sängers Syd Barrett, der es an die Wohnungstür geschrieben hat, eine Verbindung der Begriffe hip und gnosis, das altgriechische Wort für "Wissen".
Geld war reichlich vorhanden
All das kann im Dokumentarfilm "Squaring the Circle: The Story of Hipgnosis" von Anton Corbijn erfahren, der nun im Kino anläuft. Im Mittelpunkt steht das Gründer-Duo, das in Anekdoten vom eigenen Aufstieg und Fall erzählt. Geld war lange reichlich vorhanden, nachdem die Agentur einmal etabliert war und selbst Ex-Beatles vorbeischauten. Dann kam die Pleite. Die Firma überlebte den Wandel der Musikbranche nicht, denn CDs brauchten kein Artwork mehr und Plattenlabel waren spätestens seit MTV nicht mehr bereit, 50.000 Pfund für ein Cover auszugeben.
Zu den Talking Heads der Gründer gesellen sich Wegbegleiter, Kollegen und vor allem Musiker wie Paul McCartney, Jimmy Page, Roger Waters, Robert Plant oder David Gilmour. Anton Corbijn ist mit seinem ausgeprägten Stilwillen die optimale Besetzung für die Hommage. Bevor er Filme wie "Control" über die Band Joy Division oder "Life" drehte, entwarf der Fotograf und Filmemacher selbst LP-Hüllen für Bands wie U2 oder Depeche Mode.
Während der Film in Schwarz-weiß gehalten ist, erscheinen die Cover in Farbe, der Bandname fehlt manchmal gänzlich. Corbijn verknüpft Einzelbilder zu Animationen, wechselt zwischen Stills und Film und entwirft mit viel Musikuntermalung ein schillerndes Bild der überbordenden Kreativität während der Hippie-Ära.
Eine nicht allzulang währende Aufbruchphase
Fast beiläufig wird erwähnt, dass eine Ikarus-Figur, auf die Led Zeppelin zurückgegriffen haben, von einem präraffaelitischen Gemälde inspiriert sei. Das fliegende Schwein von Pink Floyds "Animals"-Cover taucht wiederum Jahrzehnte später in "Children of Men" des Filmregisseurs Alfonso Cuarón wieder auf. Es ist in der "Arche der Künste" neben Michelangelos "David" oder Picassos "Guernica" zu sehen.
Irgendwann erzählt Oasis-Frontman Noel Gallagher nostalgisch von einer Zeit, in der Musik noch als Kunst wahrgenommen wurde und die Albencover Bezug zum Surrealismus herstellten. Schaut man sie heute an, wird man selbst wehmütig über so viel marktignoranten Mut zur Verstörung. Eine nicht allzu lange währende Aufbruchphase, an deren Ende Bands wie Pink Floyd ihr Heil im bombastischen Stadionrock fanden und der Bassist Roger Waters heute vor allem durch antisemitische Entgleisungen auffällt.