Er stellte seine Motive auf den Kopf - und wurde nicht zuletzt damit weltberühmt. Georg Baselitz gilt als einer der wichtigsten deutschen Nachkriegskünstler. Seine Bilder, oft großflächig und mit grobem Strich skizziert, hängen in Museen weltweit. Am Dienstag (23. Januar) wird Baselitz 80 Jahre alt.
Der Künstler begeht den runden Geburtstag mit zwei großen Ausstellungen in Basel. Rund 90 Gemälde und ein Dutzend Skulpturen zeigt die Fondation Beyeler; das Kunstmuseum Basel gibt eine Übersicht seines zeichnerischen Werkes.
In diesen Tagen trafen in der Fondation Beyeler Dutzende Leihgaben aus verschiedenen Museen und privaten Sammlungen aus ganz Europa und aus den USA ein, darunter das Werk "Der Narr von San Bonifacio" von 1965, das die Öffentlichkeit und sogar Baselitz selbst seit 1968 nicht mehr zu sehen bekamen, da es in privatem Besitz ist.
"Wir haben es ausfindig gemacht - und sind sehr glücklich, es zeigen zu können", sagte Kurator Martin Schwander. Zu sehen sind auch mehrere "Orangenesser": Eine gelbe Orange in der Mitte, der Esser um 180 Grad gedreht im Nichts hängend. Ein weiterer Höhepunkt sind neueste Werke, die Baselitz im vergangenen Sommer und Herbst geschaffen hat. Dabei bezieht er sich unter anderem auf Motive aus seiner ersten Schaffensphase.
Der in der DDR aufgewachsene Maler, der heute in Basel, Salzburg und am Ammersee lebt, brüskierte seine Lehrer in Ost-Berlin und flog wegen "gesellschaftlicher Unreife" von der dortigen Kunsthochschule. In den Semesterferien hatte er, anstatt mit ins Kombinat zu fahren, lieber nach Picasso gemalt. Bei seiner ersten Ausstellung im Westen 1963 in der Berliner Galerie Werner & Katz sorgte Baselitz für einen Eklat. Die Ölbilder "Nackter Mann" (mit einem überdimensionalen Penis) und "Die große Nacht im Eimer" (mit einem onanierenden Jungen) wurden beschlagnahmt, ein Gerichtsverfahren aber später eingestellt.
Einige Jahre später entwarf er die Welt kopfüber neu. 1969 entstand mit "Der Wald auf dem Kopf" das erste "Umkehrbild". Er selbst sprach vom "dritten Weg" zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Er habe das Bild aus der "fatalen Abhängigkeit zur Wirklichkeit" wegbringen wollen, erläuterte er einmal. Auch wenn Kritiker gelegentlich von einer Masche sprachen - der Kopfstand blieb Baselitz' Markenzeichen.
Ende der 70er-Jahre begann er mit kantig gesägten Holzskulpturen. Wieder ein Aufreger: Seine Skulptur, geschaffen für den deutschen Pavillon bei die Biennale 1980 in Venedig, hielt die Hand nach oben. Das als Hitlergruß zu sehen, sei überhaupt nicht seine Intention gewesen, sagte er später.
In seinen "Heldenbildern" (1965) bezog er sich auf den Krieg, den er als Kind erlebte - die "Helden" wanken heran als kaputte Gestalten in zerlumpten Uniformen, denen vom Heroismus nicht viel geblieben ist. Im Zyklus "Russenbilder" (1998-2005) setzte er sich seiner Jugend in der DDR und dem sozialistischen Realismus auseinander.
Die Staatskünstler der DDR nannte er schon mal "Arschlöcher". Mit seiner sächsischen Heimat ist er dennoch untrennbar verbunden: Geboren als Hans-Georg Kern im heutigen Kamenzer Ortsteil Deutschbaselitz, erinnert er mit seinem Künstlernamen an das Dorf seiner Kindheit.
Etwa von 2005 an setzte er sich auch mit dem eigenen Werk nochmals auseinander: Unter dem Titel "Remix" interpretiert er frühere Bilder neu. Danach malte er in Schwarz - kaum Schemen sind erkennbar. Er habe Bilder unsichtbar machen, Grenzen verschieben wollen, erläuterte er.
Seit über 55 Jahren ist er mit seiner Frau Elke verheiratet, die beiden Söhne Daniel Blau und Anton Kern (hier im Interview über seinen Vater) sind erfolgreiche Galeristen in München und New York.
Baselitz nahm 2015 auch die österreichische Staatsbürgerschaft an. Als ebenfalls 2015 das deutsche Kulturgutschutzgesetz verschärft werden sollte, um die Ausfuhr von Werken mit nationaler Bedeutung zu erschweren, ließ er aus Protest seine Leihgaben in deutschen Museen abhängen.
Wenn Baselitz redet, wird er gerne deutlich. "Meine ganze Biografie besteht aus Ecken und Kanten. Ich bin gegen Wände gelaufen und gegen geschlossene Türen", sagte er 2015 dem "Handelsblatt". "Regeln haben ihren Sinn, sie verbieten das meiste. Für einen Künstler aber ist nur der Regelbruch interessant."