Berlin, offene Stadt: von wegen. Viel ist geschrieben worden über Berlin und die sagenumwobene Zeit, irgendwann in den 80ern und die Aufbrüche der 90er. Die schwedische Fotografin Ann-Christin Jansson lebte während genau dieser Jahre in der erst geteilten, dann wiedervereinten Stadt.
Klar, es ist schon ein Klischee, nach Berlin zu ziehen. Man kann einfach nichts machen, was in dieser Stadt nicht schon gemacht wurde. Jansson jedenfalls kam in den frühen 80ern aus Stockholm nach Berlin, in eben jenen — der Legende nach — wilden Jahren, kurz nachdem Anarcho-Punks Martin Kippenberger als Miteigentümer des SO36 in Kreuzberg vertrieben haben, und als die Einstürzenden Neubauten mit Presslufthämmern und reichlich schwerem Gerät Krach, also höchst avantgardistische Musik machten.
In Kreuzberg übrigens lebte auch Jansson. Zur Fotografie kam sie eher durch Zufall, sagte sie einmal in einem Interview, denn ihr Deutsch sei noch nicht so gut gewesen. Also machte sie lieber Bilder. Die besetzten Häuser, die Straßenschlachten, das kannte sie aus Schweden nicht. Bald arbeitete Jansson als Fotoreporterin für schwedische Medien, aber auch für deutsche, zum Beispiel die "Tageszeitung" und den "Stern". Jansson reiste in die DDR, um Reportagen über die Opposition zu machen oder um die Umweltschäden in Ostdeutschland zu dokumentieren, schließlich führten sie ihre Reportagen bis nach Ungarn.
Dann kommt der große Umbruch, nämlich das Ende der DDR. In dem Kontext sieht man auf einem Bild einen Mann mit Schnauzbart, auf dessen Jeanshemd "US Army" gestickt ist. Stolz zeigt er eine Porno-Videokassette in die Kamera. Er verkauft illegal West-Waren auf dem Alexanderplatz. In diesem Foto sind gleich eine Reihe der Versprechen des Kapitalismus vereint. Überhaupt, die Bilder in dem Band "Umbrüche: Fotografien 1980-1995" eignen sich fast alle als Symbolbilder für eben jene Wendepunkte. So zeigt ein anderes einen Trabbi, ausgeschlachtet, in einem Sperrmüllcontainer vor Plattenbaukulisse. Dann die 90er: ein Mann in Jogginghose und mit Bauchtasche, die Arme ausgebreitet und die Pupillen geweitet, auf der Kurfürstenstraße bei der Love Parade 1994. Das Wetter ist trüb.
Die Berliner Umbrüche sind auch Aufbrüche, so lautet die gängige Erzählung. Janssons Bilder werden aber stets von einer gewissen Traurigkeit begleitet, weil man rückblickend immer schon weiß, wie die Geschichte weitergeht.