Es ist möglicherweise ein Generationen-Ding: (erfolg)reiche Männer, die dann auch noch Kunst machen. George Bush malt Porträts, Sylvester Stallone malt ebenso, genau wie Armin Müller-Stahl, Dennis Hopper oder Anthony Hopkins. Na ja, und Bryan Adams oder Lenny Kravitz fotografieren. So wie Andy Summers! Der Gitarrist, der seit den 70er-Jahren als Mitglied der Band The Police bekannt ist (die mit Sting) und später auch als Solokünstler aktiv war. Seit den 80er-Jahren ist er auch als Kunstfotograf tätig und wurde mit mehreren Buchpublikationen und diversen internationale Ausstellungen bedacht.
Nun erscheint ein neuer Bildband des Engländers, "A Series of Glances" versammelt Summers beste Kunstfotografien aus mehreren Jahrzehnten. Über 300 Seiten geballter Content. Es zeigt meist Schwarzweißfotografien seiner Reisen, klassische Porträt- und Aktfotografie. Dazu gibt es eine Playlist mit The-Police-Klassikern (Klar, "Roxanne"), Thelonious Monk und Summers Solo-Werken. Plus: "Digital Content-Elemente", die sich über die Verlags-App öffnen lassen und die das Buch, laut Verlag, zum persönlichsten Werk des Musikers machen, weil Summers da in einer Audiodatei über sich, sein Leben, seine Kunst spricht. Ist das mehr als Fan-Content für nostalgische Police-Hörerinnen und -Hörer?
Zunächst mal lernen wir, dass Summers als 16-Jähriger das Knipsen begann: auf einem Trip per Anhalter durch Frankreich in Richtung Spanien, mit einer Kodak-Kamera (später Leica), niemand Geringeren als die Fotografen Cartier Bresson und Lucien Clergue im Kopf. Auf dieser Reise begriff er, dass die Welt da draußen ist (leicht bekleidete Mädchen vor allem auch) und er da durchvagabundieren müsse. Dabei begleitet ihn seine Kamera in den folgenden Jahren. Wobei er sich erst später, in der Hochzeit von The Police, mit der Fotografie beschäftigt. "Wir waren ständig unterwegs und dachten, das würde unser ganzes Leben so weitergehen. Fotografen verfolgten uns Tag und Nacht, und ich dachte dann irgendwann, dass ich mir jetzt mal eine Kamera besorgen sollte, um den Spieß einfach umzudrehen", wird Summers - heute 80 Jahre alt - in einem Interview zitiert.
Leica, die kann man so spielen wie eine Gitarre
Wir sehen Frauen am Trapez, Federn am Boden, Wolken und Pflanzen, die die Faszination gegenüber Licht und Schatten eines jeden Fotografen dankbar bedienen. Rauch, Wind, Wasser. Doch in Summers Bildern knackt tatsächlich das Licht, und auch seine Motive werden interessanter, wenn er den Hobby-Reise-Fotograf-Radius mit seinen Postkartenmotiven von Buddha-Statuen oder Kamelkopf verlässt: Eine Gabel, die in eine Unterlippeninnenseite pikst, in die Dollarzeichen eintätowiert sind. Zwei kämpfende Rinder (Stiere?) im Staub. Mann mit Maske, Mann mit Krone, Mann mit Messer. Männer mit Karten in China. Der Rücken einer nackten Frau mit Elvis Presley Schallplatte in der Hand. Frau hinter Vorhang mit perfekt hervorlugenden Schamlippen. Summers sagt, er sei von Federico Fellini und Ingmar Bergman geprägt.
Viele Bilder sind zu sehen, die Menschen eben machen, wenn sie mit einer Kamera umgehen können und genügend Geld für Reisen (natürlich Afrika, natürlich Wüste, Vietnam und Thailand) haben. Und die besonders gern auf Kinderaugen halten, weil das Exotisierende in deren gespiegelter Unschuld nicht so schäbig daher kommt. Aber Summers Bildband lohnt sich für die intimeren Fotografien. Die beiläufigen, die Geschichten andeuten, ohne sie zu erzählen. Ein gehetzter Kellner in einer Bar. Ein Samtmöbel, auf dem mal jemand gesessen hat. Ein Fahrradfahrer in der Wüste. Der Hinterkopf eines Herren, der auf dem Weg ist. Oft gelingen Summers starke Lichtkompositionen. Hier und da starke Motive. Teilweise tolle Porträts. Seine Kamera, aus der M-Reihe von Leica, die könne man so spielen wie eine Gitarre, schreibt er in dem Buch. Ist doch klar, dass er dann beides macht.
Doch die Bilder von der Straße, von Reisen dominieren dieses Buch. Summers ist in Brasilien, Bolivien, Japan, den USA unterwegs. Er zeigt die Menschen aus allen Winkeln. Das ist nicht nur was für Fans von The Police, sondern wirklich schöne Reisefotografie. Doch mit dem Alter, so sagt Summers, würden seine Fotografien immer abstrakter. Und darauf kann man sich auch freuen.