Amsterdam

Jede Haltestelle ein Kunstwerk

Eine neue U-Bahn-Linie verbindet das Amsterdamer Zentrum mit dem hippen Norden der Stadt. Künstler haben die Stationen gestaltet, und auch rund um die Bahnhöfe entstehen Kunstorte

Noord-Zuidlijn heißt das Infrastruktur-Großprojekt, das seit seiner Eröffnung vor einigen Tagen genau das macht, was sein Name verspricht, nämlich den Norden mit dem Süden der Stadt verbinden. 

3,1 Milliarden Euro hat der Bau gekostet. Und weil man in Amsterdam um die Affinität der Bewohner für Kunst im öffentlichen Raum weiß, hat man sich dazu entschieden, zwei Prozent des Budgets für die Installation großflächiger Kunst in den sieben neuen, vom Architekturbüro Benthem Crouwel gestalteten U-Bahn-Stationen zu verwenden. 

In der Haltestelle unter dem Hauptbahnhof fungiert eine Videoarbeit des Belgiers David Claerbout als Wettervorhersage. Sie ist so programmiert, dass sie das Wetter des nächsten Tages in eine typisch niederländische Landschaft (Kanal, Weite, Felder) überträgt.

 

Die Wände der Station Europaplein hat der Künstler Gerald van der Kamp mit einer aus stark abstrahierter Schrift und im U-Bahn-Tunnel aufgenommenen Fotos überzogen, in denen sich, so van der Kamp, "die Reisenden wiederfinden" sollen.

 

Und in der Station Nord, die das Ende der Linie markiert, wurden die Umrisse von Zugvögeln in den Boden eingelassen. Wie die Pendler auch, ziehen sie von Nord nach Süd. 

Die Arbeiten korrespondieren dabei – mal mehr, mal weniger direkt – mit der nahen Umgebung der Stationen. Vor allem aber reflektieren sie die Verbindung zur Stadt zu öffentlich zugänglicher Kunst. Wie eng die ist, zeigt eine kleine Insel unweit der Station Nord. Auf den ersten Blick erscheint das NDSM Eiland als ein besonders generisches Exemplar eines stadtnahen, brachliegenden Industriegebiets: Um eine stillgelegte Werft wird Craft Beer in Überseecontainern serviert, Schiffskräne fungieren hier als Boutique-Hotels und meterhohe murals zieren die Backsteinwände der Fertigungshallen, die von besseren Zeiten der niederländischen Industrie erzählen. 

Dass die Gegend mehr ist als banale Urbanität, wird bei genauerem Hinsehen recht schnell klar. Gleich hinter dem Fähranleger, der die Insel mit dem Amsterdamer Hauptbahnhof verbindet, steht das Sexyland. Die konzeptuell irgendwo zwischen Galerie, Bar und Nachtclub angesiedelte Location wechselt jeden Tag den Besitzer – der dann damit machen kann, was er will. An diesem Tag wurde der Laden von einer Gruppe radikal coolen Hip-Hop hörender, sehr gut aussehender Jugendlicher übernommen, die vor dem Eingang stehen und sich selbst feiern. 

Hundert Meter weiter ist man dabei, das größte Street-Art-Museum der Welt zu gründen. Dafür hat sich Peter Ernst Coolen, der, nun ja, designierte Museumsdirektor- und Gründer, eine alte Fertigungshalle der Werft ausgesucht. Sie ist so groß, dass es Minuten braucht, sie zu durchschreiten. Bis zur geplanten Eröffnung in einem Jahr muss das gesamte Dach neu und denkmalschutzgerecht gedeckt werden und überhaupt noch so vieles passieren, dass man nur hoffen kann, dass so viel Megalomanie am Ende irgendwie belohnt wird.