Mehrfachbegabungen sind nicht immer ein Segen. Was passieren kann, wenn man trotz Kunststudium Opern schreibt und als Hobby-Naturwissenschaftler die Elektrizität einfangen möchte, zeigt jetzt ein in verspielt überstilisierten Tableaus schwelgendes Porträt des 1860 geborenen Louis Wain, über den seine zehn Jahre ältere Frau Emily sagte, er sei der erste Mensch gewesen, "der entdeckte, wie töricht, lustig, drollig, verschmust, faul, aber auch klug und lernbegierig Katzen sind". Seine Manie begann, als sich das unstandesgemäß verheiratete Paar mit Peter aufs Land zurückzog. Hier entstanden unzählige Porträts des Katers, in einer glücklichen Ménage à trois, die nach nur drei Jahren zu Ende ging, als Emily an Brustkrebs starb.
Katzengalerien auf Instagram und Twitter? Darüber hätte Wain wohl nur müde geschmunzelt. Mit den anthropomorphisierenden Zeichnungen, Illustrationen, Karikaturen und Comics gelang ihm schon Ende des 19. Jahrhunderts der Durchbruch. Sie machten ihn zu einem gefragten Künstler und sein Leben "happier and catier", wie es in "Die wundersame Welt des Louis Wain" des Regisseurs Will Sharpe heißt. Aus seiner Perspektive gab es kaum etwas, was Katzen den Zweibeinern nicht abschauen konnten. Sie trugen Brille, Zigarre, fuhren Fahrrad und turnten auf Sportgeräten. Wain war mitverantwortlich für einen Hype, der selbst die Oberschicht dazu anstiftete, sich ein miauendes Haustier anzuschaffen. Vielleicht, weil in seiner Zeit technische Erfindungen das Lebenstempo auf noch nie dagewesene Art veränderten?
Düstere später Jahre
Auf einmal galt die Katze nicht mehr als Mäusefängerin, sondern schickes Accessoire, das es zu domestizieren galt. In England und den USA waren "Cat Shows" der Renner. 1887 wurde in London der National Cat Club gegründet. Eigentlich hätte sich Wain vor diesem Hintergrund auf seinem Erfolg ausruhen können, wäre da nicht seine Exzentrik, die sich in seinen späteren Jahren in eine mentale Instabilität verwandelte, als seine selbst nervlich angegriffenen fünf Schwestern nicht mehr gegensteuern konnten. Da bekamen auch Wains liebste Gefährten immer psychedelischere Konturen, sie standen regelrecht unter Strom, geplagt von Ängsten, die sich im Hirn ihres Erschaffers eingenistet hatten. Die Tragödie nahm ihren Lauf: Der Diagnose Schizophrenie folgten Armut und Aufenthalte in Anstalten.
Die Besetzung Wains mit Benedict Cumberbatch ist zwar etwas vorhersehbar, stört aber auch nicht weiter, da der Außenseiterrollen gewohnte Brite jede Marotte intensiv zu verkörpern weiß, wenn er etwa im Regen Blitzen nachjagt und elektrische Schwingungen zwischen Menschen zu sehen vermag. Die sympathische Schusseligkeit ist es auch, an der sich Regisseur Sharpe in Fantasy-Szenen, gewagten Kamerafahrten und, ja, auch Kitsch-Momenten nicht satt sehen kann. Das will schon etwas heißen bei einer historischen Persönlichkeit, die weder als zeitlose Kultfigur durchgehen kann noch ein Werk hinterlassen hat, das als wegweisend für die Kunstgeschichte gilt.