Pae White in Neuss

Am dünnen Faden

Dem Sog der strengen Betonarchitektur von Tadao Ando hat Pae White gleich mehrere Schwellen eingezogen: Mobilés aus verschiedenen Werkphasen und Tapisserien, die den Schritt unterbrechen und der Trennlinie zwischen bildender und angewandter Kunst eine Absage erteilen.

Das Interesse der in Los Angeles lebenden 49-Jährigen gilt auch stets den Möbel-Qualitäten des jeweiligen Objekts. Bei der letzten Ausgabe der Skulptur-Projekte in Münster war die ausgebildete Grafikdesignerin, die auch schon mal Plattencover und Kataloge entwirft, mit handelsüblichen Glocken vertreten. Sie übernahmen am Straßenrand die Rolle von Laternen, die ihre ganz persönliche Top Ten der wichtigsten Liebeslieder zum Besten gaben.

In der Langen Foundation in Neuss geht es zwar diesmal weniger poetisch zu, aber nicht minder multifunktional. 24 Arbeiten verweisen unter dem Titel „In Love with Tomorrow“ auf Einrichtungstrends, nach denen der Dekorateur im Kunstliebhaber sich nie getraut hat zu fragen.

Eine Kolonie bunter Papierschnipsel hängt an Nylonfäden von der Decke herunter. In einer anderen Ecke flimmern Spiegelstücke und reflektieren das Licht in einem weltentrückten Glasperlenspiel. Die sich sanft wiegenden Skulpturen aus von der Hand geschnittenen eckigen und ovalen Plättchen erfahren unter der ausgeklügelten Beleuchtung eine Erweiterung, erobern ihre Umgebung mit Spiegelungen und setzen die Wahrnehmung unter Strom. Das gilt auch für die Berglandschaften aus zerknitterter Alufolie, die sich auf gewebten Raumteilern ausbreiten.

Die rosa Couchskulpturen könnten nicht einladender wirken, Sitzgelegenheiten, die man sich in jedem Museum wünscht. Dank ihrer Beschaffenheit aus bedrucktem Zeitungspapier der Financial Times lassen sie sich zudem vorbildlich recyceln und geben einen mahnenden Kommentar zur Zeitungskrise ab.

Manch ein großformatiger Gobelin setzt gleich auf die dramatische Wirkung von Schall und Rauch, wenn sich in der „Smoke“-Serie das in fotorealistischer Perfektion erstrahlende Muster der Vergänglichkeit einer verglühenden Zigarette annimmt. Die Teppiche hängen nicht etwa an Wänden, sondern mitten im Gang. Der Hürdenlauf zahlt sich aus, zumal das Monumentale der Oberflächen greifbar näher rückt. Der Betrachter schwebt trotzdem seltsam leicht an den Wollhügeln vorbei und wundert sich, ob das Auge schon kandiert ist, oder der Kopf nur zugequalmt.

„In Love with Tomorrow“, Langen Foundation, Neuss, bis 7. Juli 2013