"Monuments Men" auf der Berlinale

Als Hitler die "Brügger Madonna" stahl

Mit dem Film "Monuments Men“ hat George Clooney das brandaktuelle Raubkunst-Thema unterhaltsam verpackt

Normalerweise dauert es mindestens ein Jahr, bis aktuelle Themen auf der Berlinale landen. Jedenfalls gilt das für Spielfilme im Wettbewerb. Schließlich muss ja erst geschrieben, gecastet und gedreht werden. Kommt 2015 ein Festivalbeitrag zum Thema NSA-Überwachung? Wahrscheinlich. Im Fall von „Monuments Men“, der am Samstag außer Konkurrenz Weltpremiere hatte, war Hollywood beinahe schneller als die Feuilletons. Allerdings durch Zufall.

Mitten in die Diskussionen um den Fall Gurlitt kreist George Clooneys fünfter Kinofilm als Regisseur um Kunstschätze, um das Verschwinden der Werke und die fieberhafte Suche nach den Kulturgütern. Der mit Stars besetzte Film – neben Clooney himself stehen Cate Blanchett, Matt Damon, John Goodman, Bill Murray und andere vor der Kamera – spielt vor allem in Deutschland kurz nach dem D-Day. Eine Truppe amerikanischer Kunstexperten unter der Leitung des Kunsthistorikers Frank Stokes (Clooney) fahndet nach all den Werken aus europäischen Museen oder  Kirchen, die sich kunstliebende Nazis einverleibt haben.

Doch nachdem der Traum vom großdeutschen Reich ebenso geplatzt ist wie das Vorhaben, in Linz ein „Führermuseum“ zu bauen, ist es mit der nationalsozialistischen Kunstliebe nicht mehr weit her. Auf den „Nero-Befehl“ Hitlers hin soll die ganze abendländische Pracht in Schutt und Asche gehen. Das ist keine Drehbuchidee. In die Kriegstaktik der „verbrannten Erde“ – nach dem Motto: mach’ alles kaputt, bevor es in Feindeshände gerät  –  wurden 1945 tatsächlich auch Kunstwerte geschreddert und abgefackelt.

Helden müssen her. Nicht nur ein Indiana Jones, sondern ganz viele Kunstretter. Es gab sie wirklich, die Sondereinheit der US-Army mit der Bezeichnung „Monuments, Fine Arts and Archives Program“ (MFAA). Robert M. Edsel hat einen Roman darüber geschrieben, und Clooney war derart gepackt von Edsels Aufbereitung des historischen Stoffs, dass er sich die Rechte daran sicherte.

Anders als Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“ tritt der Film die historische Wahrheit allerdings nicht mit Springerstiefeln. Der Film bewegt sich elegant auf den Spuren der „glorreichen Sieben“ oder von „Oceans Eleven“. Stets zollt der Film der Aktenlage Respekt. Nie zuvor konkurrierten in einem Mainstreamfilm derart viele Kunstwerke mit den Stars. Die Kunstschicksale stimmen, etwa das von Jan van Eycks Genter Altar. Aus der St.-Bavo-Kathedrale verschleppt, wurde der Flügelaltar 1944 über Umwege in ein Salzbergwerk bei Altausee (Oberösterreich) gebracht und dort von Männern der MFAA wiedergefunden. Glück hatte auch die von Michelangelo geschaffene, sogenannte „Brügger Madonna“, die ebenfalls in Altausee geborgen werden konnte. Viele andere Werke wurden zerstört, bevor die Retter kamen. Einer von Stokes’ Männern hält betrübt einen verkohlten Rahmenrest hoch, kaum mehr als ein Schild mit der Aufschrift „Picasso“ ist übrig geblieben.

„Monuments Men“ ist ein Buddy-Movie voller kauziger Charaktere, brenzliger Situationen und witziger bis nachdenklicher Dialoge. Von solchen Filmen gibt es viele, aber diesmal geht es im Kern wirklich einmal um etwas. Gestellt wird die heikle Frage, ob Kunst mehr wert sein kann als ein Menschenleben. Zwei von Stokes’ Männern sterben im Lauf der Aktion. Ja, sagt Clooneys Protagonist am Ende des Films, es hat sich gelohnt. Weil die Nazis mit der Kunst auch das kulturelle Gedächtnis ganzer Generationen auszulöschen drohten. Die Menschheit erneuere sich ständig selbst. Ein Kunstwerk, das einmal zerstört wurde, komme nie zurück. Das ist schon vom Kulturbegriff her kurz gedacht (für einen Kunsthistoriker vor über 60 Jahren mag es allerdings stimmen), doch es entspricht nicht unbedingt der Moral des Films.

Wobei der Widerspruch gegen das Aufwiegen von Menschenleben gegen museale Werte aus den Filmbildern selbst kommt. Die Einsatztruppe findet lauter Kunstschätze, doch einmal auch einen Goldschatz. In einem Bergwerk liegt fast der ganze Goldvorrat des „Dritten Reichs“ versteckt. Ernüchtert stellen die Kunstexperten fest, dass ihre Generäle sich vor allem für Gold und wenig für Kunst interessieren. Kurz darauf wird noch ein Versteck geöffnet: eine Tonne voller Goldzähne, aus den Gebissen von Ermordeten gebrochen. Wirklich, es gibt weit Grausigeres als Kunstzerstörung. Man kann die „Monuments Men“ für ihren Einsatz bewundern. Eine platte These muss man aus ihrem Tun nicht ableiten. Diese Unschärfe ist der Grund, warum man über den Film lange nachdenken kann.

 

"Monuments Men - Ungewöhnliche Helden": Weitere Vorführungen während der Berlinale jeweils am Sonntag um 9.30 Uhr im Zoo Palast 1, um 15 Uhr und 18 Uhr im Friedrichstadt-Palast und um 22.30 Uhr im International. Am 20. Februar kommt der Film in die deutschen Kinos

http://www.youtube.com/watch?v=_nzJuWGZZxQ