Kunstmesse: Abu Dhabi Art

Alles wird zu Staub

Wer nach Saadiyat Island kommt, den erwartet eine blühende Museumslandschaft. Wie durch ein Blätterdach flimmert die Wüstensonne durch die 183 Meter breite Schale des Louvre in Abu Dhabi. Ebenso spektakulär wirken das von arabischen Windtürmen inspirierte Guggenheim, das Frank Gehry entworfen hat, sowie Norman Fosters Zayed National Museum und Zaha Hadids Performing Arts Centre. Die Museumsinsel hat allerdings einen Haken, sie existiert bisher nur in Plänen, Computeranimationen und als Modell, das Besuchern der Abu Dhabi Art gezeigt wird. Immerhin stehen mit dem Umzug der Kunstmesse - vom Hotel Emirates Palace im Stadtkern nach Saadiyat - die Zeichen auf Zukunft. Kollektiv und weit über die Grenzen der Vereinigten Emirate hinaus wird an diesem Ort der Traum einer florierenden Kulturlandschaft geträumt. Dass die Tourism Development & Investment Company (TDIC) in Abu Dhabi die Projektentwicklung auf Saadiyat Island deutlich verlangsamt hat (von einer Fertigstellung des Guggenheim 2013 spricht hier niemand mehr), ist ein offenes Geheimnis. Und: wohin soll eine angekündigte, dann gestrichene Tour zu den künftigen Museumsorten führen, wenn nicht einmal Baustellen existieren?

50 internationale Galerien präsentieren sich in einem ehemaligen Pavillon der Expo in Schanghai. Neben diesem goldglänzenden Bau in Form einer Sanddüne erstreckt sich das Ausstellungszentrum Manarat al Saadiyat, in dem Sonderausstellungen und eine Gesprächs-Plattform untergebracht sind. Die Gästeliste ist erlesen. So lässt Galeristen-Legende Larry Gagosian - der nebenan einen Richard-Prince-Cowboy durch die amerikanische Wüste reiten lässt - gemeinsam mit dem Künstler Jeff Koons ihre Erfolgsgeschichte Revue passieren. Koons stimmt auch nachdenkliche Töne an: „Alles wird zu Staub", sagt der Künstler.

2009 hatte Koons einen riesigen roten Diamanten auf die Messe gewuchtet. In diesem Jahr geht es weniger glamourös zu. Im Angebot an westlicher Kunst dominieren zurückhaltend-schlichte Werke. David Zwirner präsentiert Date Paintings von On Kawara und eine minimalistische Neon-Skulptur von Dan Flavin. „Besucher aus der Region dürften ihre Schwierigkeiten haben", sagt ein Galeriemitarbeiter, der Vergleiche mit New Yorker Minimalismus-Ausstellungen in den frühen 60er-Jahren anstellt.

Zu den Pionieren in Abu Dhabi gehört die Kölner Galeristin Brigitte Schenk, die auch als Beraterin der Kollektion des Emirats Sharjah Erfahrungen sammeln konnte. „Anfangs haben wir uns noch den Kopf darüber zerbrochen, ob wir Porträts oder Tierdarstellungen zeigen können", erzählt Schenk mit Blick auf Bilderverbote in islamischen Ländern. Schenk ist mutiger geworden, aber nicht rücksichtslos. „Die Scharia ist aktiv. Viele vergessen das". Ihr diesjähriges Angebot ist breit, es reicht von Fotografien von August Sander über Blumensiebdrucke Andy Warhols bis zu den technisch ausgefuchsten Arbeiten des deutsch-britischen Kollektivs Random International. Eine Skulptur von Hasan Sharif aus Tassen und anderen Fundstücken wurde für 54000 Dollar verkauft. Sharif, laut Schenk „der erste arabische Konzeptkünstler, der in der Region tätig ist", ist mit einer Metallskulptur auch im Außenbereich der Messe vertreten - eine Auswahl unter dem Titel „Beyond".

Die in Beirut und Hamburg beheimatete Galerie Sfeir-Semler hat vier Arbeiten der Archiv-Serie des libanesischen Künstlers Akram Zaatari für 2000 bis 3000 Dollar an einen Sammler aus Quatar verkauft. „Solche Arbeiten gehen über ästhetische Reize hinaus, sie müssen gelesen werden", erklärt ein Mitarbeiter der Galerie. „Zaatari wirft ein Licht auf soziokulturelle Zusammenhänge in der Region." Der Arabische Frühling hinterlässt seine Spuren. „Kunst übersetzt Politik", sagt Armel B. Makkawi, Diplomatentochter aus Algerien und Gründerin der Galerie Art Sawa mit Sitz in Dubai. Auf der Abu Dhabi Art präsentiert sie das „Dress Code Project", in dem elf Künstler aus dem Mittleren Osten und Nordafrika von sich und ihrer Heimat erzählen - anhand von Kleidungsstücken. Offene Reißverschlüsse zerfurchen eine Karte des Irak, zum Kleid geschneidert von der in Bagdad geborenen Künstlerin Ghassan Ghaib, verkauft für 7350 Dollar.

Isabella van der Eynde, Galeristin in Dubai, zeigt eine mehrteilige Arbeit des Libanesen Jeffar Khaldi. Die Tafeln von „Mad Rebels" (19000 Dollar) verschränken Youtube-Bilder mit Spielfilmszenen aus „Mad Max": Finstere Szenen aus der libyschen Revolution.

Dass auf der Abu Dhabi Art kaum Videoarbeiten zu sehen sind, dürfte den fehlenden Erfahrungen des Publikums mit solchen Medien geschuldet sein. Rose Issa aus London nimmt erstmals an der Abu Dhabi Art teil. Mit Malerei, Schriftarbeiten und Skulpturen von Künstlern aus islamischen Ländern will sie vor allem Erfahrungen mit Publikumsreaktionen sammeln. Ums Verkaufen geht es der Galeristin weniger. Issa macht aus ihrer Skepsis keinen Hehl, dass zwei Kunstmessen - in Dubai und Abu Dhabi - eine zuviel sein könnten. „Aber die Situation dürfte sich ändern, wenn die Museen nach Saadiyat Island kommen." Bis zum Beispiel das Guggenheim steht, wird es allerdings noch dauern. Bis dahin wird weiter um die richtige, für die Region angemessene Zusammensetzung der Sammlungen gerungen. Die Möglichkeiten - so zeigt es das vielfältige Angebot der Abu Dhabi Art - sind riesig.