David Cronenberg im Interview

"Alle Kunst untersucht die Conditio humana"

Herr Cronenberg, wie groß ist die Verzweiflung in Hollywood?

Das kommt darauf an. So lange die Karriere als Filmstar gut läuft, jeder dich will und jede noch so absurde Forderung erfüllt wird, ist alles fein. Aber dann rennt man plötzlich gegen eine Wand, das betrifft vor allem Schauspielerinnen um 40 oder 45, wenn plötzlich die Angebote ausbleiben, sorgt das bei vielen für Verzweiflung. Und daraus entsteht oft eine gewisse Grausamkeit und existentielle Panik. Denn wir alle sind sterblich, aber in Hollywood kann man tot sein, lange bevor man gestorben ist. Man hört einfach auf zu existieren und wandert wie ein unsichtbares Gespenst oder ein Zombie durch die Stadt der Träume. Gleichzeitig kann man früh aus dem Leben scheiden, wie Marilyn Monroe oder James Dean, und genau dadurch unsterblich werden.

Sind Sie in Ihrer Satire besonders gnadenlos?

Ich beobachte nur, ich fühle mich eher als Wissenschaftler. Es ist eine klinische Studie, keine Satire. Ich hasse Hollywood ja nicht, ich hatte noch nicht mal großes Interesse daran, einen Film darüber zu machen. Ich werte nicht, es ist alles in Bruce Wagners Buch. Und er ist dort geboren und aufgewachsen, er hat jedes Detail genau so erlebt. Nichts im Film ist übertrieben oder erfunden. Jede Dialogzeile wurde so im realen Hollywood gesagt.

Haben Sie das ein oder andere auch selbst erlebt mit Stars Ihrer Filme?

Oh, ja. Aber ich werde keine Namen nennen. Wenn ich Ihnen von so manchem Treffen mit Studiobossen erzählte, würden Sie es nicht glauben und für absurdes Theater halten. Leute mit Macht und Geld und keiner Ahnung von Leben, Kreativität, zivilisiertem Umgang und Zusammenarbeit. Wirklich unfassbar.

Hat sich die Situation geändert?

Kennen Sie Kenneth Angers Skandalbuch „Hollywood Babylon“? Die Technik ändert sich, aber das Verhalten der Leute dort ändert sich nicht. Es ist heute genauso wie in den 20er- oder 40er-Jahren.

Würden Sie sich als Existentialisten bezeichnen?

Ich bin Atheist und halte Religionen und Philosophien für interessante Erfindungen, aber im Grunde für lächerlich. Wenn ich mich mit einer lebensphilosophischen Richtung identifizieren sollte, wäre es sicher der Existentialismus. Jede Kunst ist im Grunde eine Untersuchung der Conditio humana. Und im Film einer ganz bestimmten Form des Menschseins. Man kann kein abstraktes Konzept filmen, sondern nur etwas ganz Spezifisches, reale Szenen. Philosophie kann abstrakt sein, Filmkunst kann es nicht. Wenn eine Geschichte nicht in Hollywood spielt, dann in New York oder Paris oder einem anderen Ort.

Film ist im Idealfall zugleich Kunst und Unterhaltung. Würden Sie dem zustimmen?

Absolut. Der Unterschied zwischen den beiden ist, dass Kunst ein starkes reflexives Moment hat, während Unterhaltung Eskapismus ist und für gute Laune sorgt. Ich werte das gar nicht, beides hat seine Berechtigung.

Film wird immer wieder mit Malerei verglichen? Wie würden Sie Ihre Art des Filmemachens mit anderen Kunstproduktionen vergleichen?

Meine Art zu inszenieren hat weniger mit Malerei als mit Bildhauerei zu tun. Es hat etwas sehr Greifbares und sehr Körperliches. Ich zeichne zum Beispiel nie Storyboards, weil mir das zu abstrakt ist. Sie entstehen normalerweise, bevor man überhaupt Schauplätze und Darsteller hat. Wie soll ich da schon wissen, welchen Blickwinkel ich da brauche und welches Objektiv, wenn ich noch nicht mal weiß, wen ich da filme, was er oder sie tragen wird und wie die Lichtverhältnisse sind.“

„Maps to the Stars“, seit 11. September im Kino

http://www.youtube.com/watch?v=fwxmnyoofPs