Das Berliner Atelier am Pfefferberg wird der 61-Jährige aber weiter betreiben. Der Umzug mit seiner Partnerin und seinem zehnjährigen Sohn in die ostenglische Stadt folgt einer scharfen Kritik an Deutschland: Anfang August sagte der Künstler in einem Interview, dass Deutschland keine "offene Gesellschaft" sei und beklagte sowohl einen Alltagsrassismus als auch den zu laschen Umgang der Regierung mit China.
Dem "Guardian" sagte Ai nun, dass er 2015 Deutschland als neue Heimat ausgewählt habe, weil das Land so hart für seine Freiheiten gekämpft habe. Doch nun habe sich Deutschland verändert und er müsse erneut ins Exil gehen. Durch den Aufstieg des Populismus fühle er sich heute wie ein Außenseiter. In Anspielung auf die europäische Flüchtlingspolitik meint Ai: "Europäer sollten nicht länger das Privileg der moralischen Überlegenheit haben. Dass man Dankbarkeit von denen erwartet, die am verzweifeltsten kämpfen und am meisten unter Gewalt und Armut leiden, macht mich krank."
Europas "unglückliche und chaotische Situation" sei durch soziale Ungerechtigkeit geschaffen, "ein Resultat der kolonialen Vergangenheit und der Ausbeutung durch Globalisierung und ungezügeltem Kapitalismus."
Allerdings erwartet er auch von Großbritannien nicht viel: Das Land stecke nach der Brexit-Abstimmung in einem "Sumpf" und habe ein "ernstes Problem. Es hat offenbar den Mut und jegliche Vision in einer sich schnell verändernden Welt verloren." Zudem kritisiert Ai Weiwei die fehlende Solidarität des Vereinten Königreichs mit den Demonstranten in Hongkong. In der ehemaligen britischen Kronkolonie gibt es seit Wochen immer wieder Protestmärsche mit Hunderttausenden Teilnehmern.
Bis zum 1. September ist noch die große Ai-Weiwei-Schau in Düsseldorf zu sehen. Am 6. September eröffnet der Künstler eine Ausstellung in seiner Berliner Galerie Neugerriemschneider.