Im Stammhaus der weltberühmten Pop-Art-Kollektion der Sammler Peter und Irene Ludwig fliegen die Farben buchstäblich von den Wänden. Doch hier waren nicht Roy Lichtenstein oder Jasper Johns am Werk, sondern weitgehend unbekannte Vertreter der Bewegung Pattern and Decoration (P&D), gegründet in den 70er-Jahren in New York.
Mit pinkfarbenen Blumen, Stars and Stripes, Bügeleisen auf Baumwollstoff, dicken Pinselspuren in zäher Ölfarbe, Fernsehern und anderen Alltagsdingen wollte P&D den strengen Formalismus mit opulenten Mustern und folkloristischen Ornamenten aus nichtwestlichen Kulturen überbieten, um so die Kategorien "abstrakt" und "gegenständlich" um eine dritte zu erweitern: "dekorativ".
Die Kuratorin Esther Boehle stieß vor fünf Jahren eher zufällig auf das Konvolut von 66 Arbeiten der P&D-Bewegung im Depot der Ludwig-Sammlung und begann zu recherchieren. Wieso kennt niemand Joyce Kozloff, Robert Kushner, Kim MacConnel oder Miriam Schapiro, obwohl diese um 1979/80 weltweit gezeigt und kontrovers diskutiert wurden? Höchste Zeit für eine Wiederentdeckung.
Interessant ist nicht nur der selbstverständliche Umgang der P&D-Künstler mit Alltagsmaterialien, die Aufhebung des Gefälles zwischen "High" und "Low Art" und die Nutzung von gerne als Handarbeit abgetanen Techniken der angewandten Kunst, sondern auch die Themen, die hinter der dekorativen Oberfläche stecken: Viele P&D-Künstlerinnen und auch ihre männlichen Vertreter waren in der Frauenbewegung aktiv, die Abwertung des Begriffs "dekorativ" war für sie Ausdruck einer männlich dominierten Kunstgeschichte.
Die Ausstellung, die 2019 durch Europa tourt, leistet einen Beitrag zur Neubetrachtung der Kunstgeschichte zu einer Zeit, wo das Ornament längst vom Verbrechen zum Versprechen geworden ist.