Zukunftsmodelle der Fotografie im Ausstellungsformat wurden in Hamburg während der Triennale der Photografie schon nach dem Eröffnungswochenende wieder abgebaut. "The Day will come" heißt es – so will es das Konzept des künstlerischen Leiters Krzysztof Candrowicz – im Titel der sieben Hauptschauen in den Museen. Sowohl um die Zukunft der Fotografie als Medium der Dokumentation und Kommunikation, als auch um die Zukunft als Thema in der Fotografie soll es dieser Tage in Hamburg gehen.
Der zweite Teil des Vorhabens wurde bravourös umgesetzt. Die Zukunft des Menschen aus einer gesellschaftlichen und persönlichen Perspektive dekliniert der New Yorker Fotograf Phillip Toledano in seiner Einzelausstellung "The Day will come When Man falls" im Haus der Photographie durch. Humor, Trauer und Ungewissheit sprechen aus den Bildern und wenigen Worten, in denen er die letzten drei Jahre seines an Demenz erkrankten Vaters festhielt.
Auch abseits der Hauptschauen folgen die Ausstellungen dem roten Faden, den der Gastkurator zwischen den Institutionen gespannt hat. In der Barlach Halle K sind unter dem Titel "When Millenium begins" vier Serien des freischaffenden Fotografen Henrik Spohler zu sehen. Er bildet die Infrastruktur der Informationsgesellschaft ab, wenn er in seiner Arbeit "0/1 Dataflow" sterile Szenen aus den Serverknotenpunkten in Deutschland und den Niederlanden zeigt.
Auf der Ebene der Vernetzung und der Kommunikation bleibt die Triennale allerdings stehen, wenn es um die Zukunft des Mediums Fotografie geht. Die Ausstellung "#snapshot" im Oberhafenquartier versteht sich als eine Einführung in die Thematik der Social Photography. Da muss erst einmal erklärt werden, was denn überhaupt ein Snapshot ist, was dieses so genannte Selfie ist und wie ein Meme generiert und viral verbreitet wird. Gerahmt wird die Einführungsveranstaltung von der Serie "Strangers in the Light" der französischen Fotokünstlerin Catherine Balet. Sie stellt sich vor, wie es gewesen wäre, wenn Maria und Josef samt umstehender Gäste die Geburt Jesu in alle Winde über ein Smartphone hätten kommunizieren müssen, und reist dabei zurück zu uns in die Gegenwart. Aber in der Gegenwart ist ja niemand mehr präsent, so ihre Kritik, alle müssen alles mittels eines instant Fotos per Instagram & Co übertragen. Das ist keine neue Erkenntnis.
Über die reine Beobachtung dieses Phänomens ging die Ausstellung "Wild Card" des Berufsverbands Freier Fotografen hinaus, die allerdings nur für zwei Tage im Westwerk im Hamburger Galerienviertel zu sehen war. Ausstellungsbesucher fotografieren sowieso nur noch die Werke ab, also kann man die Kunst gleich weglassen und die Menschen ihrem Smartphone überlassen. Ganz weiß waren die Wände trotzdem nicht. 94 quadratische Bildausschnitte in schwarz/weiß nur mit dem Namen des jeweiligen Fotografen versehen, hingen wie auf einer Schnur aufgefädelt im Raum.
Für die Verzauberung vor Ort und gleichzeitig für die Entzauberung des Ausstellungsbesuchs sorgte die App Junaio, Stichwort Augmented Reality. Näherte sich der sonst so gern in Ausstellungen Fotografierende mit seinem Smartphone den nichtssagenden Quadraten an der Wand, schwebte per Display übertragen das Bild im Raum. Wie beim Fotografieren musste man einen Schritt nach vorne oder zurücktreten, um das Bild ordentlich im Fokus zu haben.
Im MoMA in New York war schon im Oktober 2010 die "Augmented Reality art invasion!" nur mittels Smartphone und entsprechender App auf dem eigenen Device mitzuerleben. Kunstwerke sah, wer scannend durch das Museum lief. Eine Ausstellung ohne Bilder mag nicht neu sein. Ganz im Gegenteil.
Irritierend ist derweil in Hamburg, dass der kuratorische Blick in die Zukunft des Mediums Fotografie den digitalen Raum offenbar nicht sehen mag. In den Hauptschauen der Triennale begnügt man sich ganz klassisch mit Bildern oder Projektionen an der Wand. Aber die Zukunft der Fotografie und der Ausstellungen hat doch mehr zu bieten als die Projektion des Instagram-Accounts von Ai Weiwei an eine Wand im Museum.