Man Ray, der vom Surrealismus und Dadaismus inspirierte Künstler, prägte durch sein vielschichtiges Werk die Moderne. Auch wenn er maßgeblich für seine Fotografien bekannt wurde, lohnt ein Blick auf seine Malerei.
Die Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen zeigt derzeit in Kooperation mit der Phillips Collection in Washington und dem Israel Museum in Jerusalem die Austellung "Man Ray- Human Equations" mit über 130 Werken des Künstlers. Dabei werden 14 Bilder aus seiner Werkreihe "Shakespearean Equations" in den Mittelpunkt gestellt, die Man Ray 1948 während seiner Zeit in Hollywood anfertigte. Sie sind inspiriert durch Fotografien von mathematischen Modellen und versehen mit Titeln von Shakespeare-Stücken. Was die Ausstellung "Human Equations" so besonders macht: Die mathematischen Objekte aus dem Pariser Institut Henri Poincaré, deren Fotografien, sowie die resultierenden Malereien sind erstmals an einem Ort zu sehen.
In den eher klassisch anmutenden Räumlichkeiten des Museums, wird der Besucher dazu angeregt, aus seinen gängigen Sehnormen auszubrechen. Gerade die Mathematik als vermeintlich regeltreue und trockene Wissenschaft scheint dafür die perfekte Grundlage zu bieten. Die mathematischen Modelle, die gleich zu Beginn der Ausstellung zu betrachten sind, stellen selber Kunstwerke dar: komplexe Konstrukte, die gleichzeitig Ordnung und kreative Willkür in sich tragen. Wer sich auf sie einlässt, wird schon an diesem Punkt für die Sichtweise Man Rays sensibilisiert.
Im nächsten Schritt, bringt Man Ray schließlich in den schwarz-weißen Fotografien, die er 1934-35 in Paris anfertigte, eine neue Dimension hinzu: Durch Licht, Schatten und Kontraste in Szene gesetzt und in verschiedenen Kombinationen aufgestellt, erhalten die Modelle, im fotografischen Raum isoliert, eine völlig neue Ästhetik. Plötzlich sind etwa Konturen von Gesichtern zu erkennen, die Formen fangen an zu leben.
Eines der Modelle besteht aus zwei rundlichen Kegeln, die sich aneinander schmiegen und sich nach oben hin zu einer Art Dach zuspitzen. Die gleiche Form findet sich 1948 in dem Gemälde "Romeo und Juliet" wieder. Das Objekt befindet sich nun nicht mehr wie im Foto vor einem neutralen Hintergrund, sondern steht unter einem dunkelblauen Nachthimmel, die Dachspitze erscheint in strahlendem Gelb. Ein anderes Modell, das einer Maske mit bösem Blick gleicht, wird in der gemalten Version zu "Othello". Es ist interessant, die verschiedenen Etappen des Objektes noch einmal zu betrachten: Zunächst real, einen bestimmtem Zweck erfüllend, wird es in der Fotografie auf seine reine Form konzentriert, um im Gemälde schließlich wieder in einen neuen, literarischen Kontext gestellt zu werden.
Dass Man Ray nicht nur, wie in den "Shakespearean Equations", Objekten menschlichen Charakter einhauchte, sondern umgekehrt auch Menschen als bloße Formen zeigte, wird etwa in einer Fotografie deutlich, in der ein nach oben ausgestreckter, weiblicher Hals seinen ursprünglichen Kontext völlig zu verlieren scheint. In einem anderen Werk wirkt ein Pfirsich auf einem Blatt drapiert, wie ein menschliches Gesäß.
Die Ausstellung ist in Anlehnung an Shakespeare in mehrere Akte aufgeteilt, in denen der Fokus auf den Gemälden liegt, jedoch auch ein Gesamteindruck des Schaffens von Man Ray vermittelt wird. Die Reihenfolge der Akte könne man jedoch jeder Zeit ändern, so Kuratorin Line Clausen Perdersen, da das Gesamtwerk Man Rays keiner geraden Linie, sondern eher einem großen Netz gleiche, in dem sich alles auf einander beziehe. Und in der Tat finden sich einige Elemente immer wieder, wie etwa ein Lampenschirm, der einzeln und zusammen mit Jean Cocteau und Tristan Tzara fotografiert wurde und sich schließlich im Werk "Twelfth Night" aus der Reihe "Shakespearean Equation" wiederfindet.
Die Ausstellung "Human Equations" lädt dazu ein, genauer hinzusehen und dabei viel zu erfahren, über den Künstler Man Ray und über die Universalität und Dynamik der Formenwelt.