Nostalgie können nur Zeiten auslösen, die etwas länger zurückliegen. Was gestern passiert ist oder vor einem Jahr, würde niemals diese Schwere auf die Brust legen, von der die Erinnerung an ein früheres, vermeintlich besseres Leben begleitet wird. Knapp 20 Jahre mussten die 90er warten, bis sie in die Ferne gerückt waren, aus der heraus sie beschworen und gefeiert werden können: durch Ausstellungen, Bücher, Modekollektionen oder Konzerte.
Vergangenes Jahr kümmerten sich viele Magazine und Veranstaltungen um die Helden von damals, Kate Moss, Kurt Cobain oder die Spice Girls. Monopol nahm sich im Juliheft die Kunst der 90er vor, vertieft in einem Gespräch mit dem Theoretiker und Kurator Nicolas Bourriaud. Nun vervollständigt eine neue Ausstellung das Bild. Das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (Mumok) widmet sich den Facetten der Kunstpraxis kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts. Das Besondere an dieser Schau werden dabei aber nicht die Werke sein, die den Weg in die einschlägigen Lexika gefunden haben, wie zum Beispiel "Untitled (Go-Go Dancing Platform)" von Felix Gonzalez-Torres. Auch wenn das 1991 entstandene Tanzparkett, das im Ausstellungsraum auf den Tänzer wartet wie ein Sockel auf die Skulptur, perfekt den neuen Kunstbegriff dieses Jahrzehnts verkörpert: Präsentiert wurden keine fertigen Pakete, sondern verspielte Formen, in die das Publikum eingreifen konnte.
Interessant ist vor allem, dass das Mumok neben internationalen Klassikern auch lokale Kunstgeschichte zeigt. So gründeten Kathrin Messner und Josef Ortner 1990 das "museum in progress", einen Kunstverein, der der tradierten Ausstellung völlig neue Formate gegenüberstellte. Zum Beispiel die berühmte Reihe "DO IT", für die Hans Ulrich Obrist Künstler wie Lawrence Weiner, Damien Hirst oder Jonas Mekas aufforderte, kurze Videos zu drehen. 1995 wurden die Clips vom ORF ausgestrahlt. Das ist durchaus mal ein Grund, nostalgisch zu werden.