Herr Weinberg, Ein neues Museum zu entwerfen ist eine Riesenchance, aber auch sehr komplex – was wollten Sie auf keinen Fall falsch machen?
Die Finanzkrise, die 2008 über uns hereinbrach, war unser Glück, weil wir das Projekt radikal verlangsamten mussten. So hatten wir eineinhalb Jahre länger Zeit als gedacht und konnten das Design des Museums noch einmal in Ruhe überarbeiten und einige Fehler vermeiden. Wir organisierten die Zirkulation des Publikums neu, vergrößerten einige Galerien. Am wichtigsten war uns die Qualität der Ausstellungsräume: die Proportionen, die Größe, die Materialien, der Boden, die Decke, das Licht. Wir wollten ein Museum für Kunst und für Künstler bauen. Wenn die Präsentation der Kunst nicht stimmt, ist das Ganze gescheitert.
Es musste darum gehen, ein Museum für das 21. Jahrhundert zu bauen. Was unterscheidet es von dem des 20. Jahrhunderts, wie es im Whitney-Bau von Marcel Breuer repräsentiert ist?
Wir haben viel Raum außerhalb des Gebäudes, gut 1200 Quadratmeter, und es gibt viele Verbindungen von Innen- und Außenraum. Mehr und mehr Künstler arbeiten im Außenraum. Und wir verstehen das Gebäude nicht nur als Ort für Kunst, sondern auch als ihr Material. Künstler manipulieren und nutzen Gebäude heute auf interessante Art und Weise. Wir haben ein Werk in der Sammlung, das in den Boden des neuen Gebäudes eingelassen wurde. Ein Lawrence-Weiner-Schriftzug ist in den Bürgersteig davor integriert. Alle Ausstellungsräume haben einen Schwingboden aus Holz, so dass man überall Tanzperformances durchführen kann. Und wir haben überall WiFi, gute Kapazitäten für Elektrizität und Sound. Wir wollten das Gebäude möglichst flexibel machen.
Der Umzug war auch eine Gelegenheit, die Sammlung zu sichten. Was macht sie aus?
Wir haben jedes der 22.000 Objekt in der Sammlung neu katalogisiert und digital fotografiert und die gesamte Sammlung online gestellt. Die neue Sammlungspräsentation wird einige Werke enthalten, die wir schon lange haben, aber die die Leute noch nie gesehen haben. Es geht darum, den Kanon der amerikanischen Kunst zu modifizieren: mit neuen Arbeiten, neuen Verbindungen zwischen Künstlern. Es sind mehr Frauen vertreten, mehr Amerikaner mit afrikanischem und asiatischem Hintergrund. Nicht, weil wir politisch korrekt sein wollten, sondern weil wir einige großartige Werke entdeckt haben. Die Kunstgeschichte ist einfach deutlich reicher als die Top Twenty, die jeder kennt.
Macht ein Museum für amerikanische Kunst eigentlich heute noch Sinn?
Wenn wir das Whitney heute gründen würden, wäre es wohl kein Museum für amerikanische Kunst. 1931 musste man die amerikanische Kunst noch unterstützen, sie hatte keinen Markt. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst ab den sechziger Jahren gab es ausreichend Sammler, so dass Künstler in den USA wirklich von ihrer Kunst leben konnten. Das Whitney hatte sein Ziel erreicht. Heute gibt es in New York so viele Museen für Zeitgenössische Kunst, das Guggenheim, das MoMa, das Brooklyn Museum, das Metropolitan – für uns wäre es deshalb nicht sinnvoll, auch ganz international zu agieren. Also sammeln wir weiter Kunst aus den Vereinigten Staaten. Allerdings können es auch internationale Künstler sein, die hier arbeiten. Wir interpretieren das sehr weit. Amerikanische Kultur besteht aus Einflüssen von überall her, insofern ist es nicht so schwer, amerikanisch zu sein und gleichzeitig international. Ich schätze, ein Viertel aller Künstler in unserer Sammlung sind nicht in den USA geboren. Wir wollen unsere traditionellen Aufgabe weiter verfolgen, aber sie gleichzeitig global erweitern.