Frau Ekici, Ihre Arbeit "Post-It" wurde kürzlich nach insgesamt fünf Wochen abgebaut. "Scheiß Islam" wurde unter anderem auf die Teppiche gesprayt, immer wieder mussten Sie gestohle Exemplare ersetzen. Wie haben Sie die Geschehnisse empfunden?
Wir haben natürlich damit gerechnet, dass die Arbeit für Diskussion sorgen würde, aber dass es so weit geht und zu insgesamt neun Vorfällen kommt, ist wirklich extrem und für mich persönlich eine Beleidigung.
Sie haben die beschmierten Teppiche bewusst umgehängt. Wie kam es dazu?
Nachdem die Polizei anrief und sagte, dass die Schmierereien wegmüssten, wollten wir die Stellen zunächst überdecken. Der Kurator der Ausstellung, Thomas Eller, hatte schließlich die Idee des Umhängens. Dadurch waren die Parolen nicht direkt erkennbar, wurden aber auch nicht "unter den Teppich gekehrt".
Dresden hat zuletzt wegen der Pegida-Bewegung Schlagzeilen gemacht. Wollten Sie mit ihrer Arbeit nicht auch ein wenig provozieren?
Die Idee entstand schon vor den Pegida-Protesten, und ich wollte damit nicht provozieren, nein. Die Teppiche sind schließlich Kulturteppiche, die mittlerweile in jedem bürgerlichen Haushalt liegen, keine Gebetsteppiche. Sie stellen in der orientalischen Kultur ein Symbol für gemeinsames Essen, Trinken und Verhandeln dar. Deswegen passen sie gut vor das Landgericht.
Was genau wollten Sie ausdrücken?
Grundlage war der Bezug zur Stadt Dresden. Es ist eine wunderschöne und auch gespaltene Stadt. Die Dresdner sind sehr stolz auf ihre Geschichte und Kultur, aber auch noch traumatisiert durch die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Außerdem befinden sich dort wichtige Forschungsinstitute oder etwa die Türckische Cammer. Die Stadt gibt sich also einerseits offen, hat aber andererseits Schwierigkeiten im Umgang mit dem Fremden. Die Arbeit sollte für einen Dialog der Kulturen stehen und gleichzeitig der Ägypterin Marwa El-Sherbini gedenken, die 2009 im Landgericht ermordet wurde.
Sie wurde als Zeugin von einem Angeklagten aus islam- und ausländerfeindlichen Motiven erstochen. Würden Sie nach Ihrem Projekt in Dresden auf Symbole wie Orientteppiche verzichten, da sie falsch verstanden werden können?
Nein, ich mache das, was mir am Herzen liegt immer weiter und lasse mich nicht von Ängsten steuern. 2005 habe ich im Rahmen einer Performance ein Kleid aus 600 "Nazar"-Augen kreiert, die in der Türkei vor bösen Blicken schützen sollen. Als eine Besucherin vor den Teppichen stand und sagte, dass einige der Muster sie an Augen erinnerten, kam ich auf eine Idee: Wieso nicht mal ein Tor komplett mit diesen Augen bestücken? Mann, demnächst mache ich das einfach mit dem Brandenburger Tor! Ich glaube, das gibt auch Ärger. (lacht)
Haben Sie auch etwas Positives aus dem Geschehenen ziehen können?
Es war schön, dass die Arbeit durch das Umhängen immer in Bewegung war. Außerdem hat sie auch zu einem Dialog beigetragen. Das ist wie eine Art Pingpong. Ich habe etwas in den Raum gestellt, und die Leute haben reagiert.
Hat Ihnen die Erfahrung gezeigt, dass solch ein Dialog in der deutschen Gesellschaft noch nötig ist?
Definitiv. Wir sind am Anfang würde ich mal sagen. Es ist dieses Scheinheilige, das mich stört. Das merkt man, wenn man die Leute rauslockt und schaut, wie offen sie eigentlich für die Kunst und das Fremde sind. Sie geben zwar vor, kein Problem zu haben, aber wenn man tiefer bohrt, dann haben sie durchaus eins. Die Leute sind verunsichert. Gerade in solchen Zeiten muss man dagegen halten.
Ihre Arbeit erinnert etwas an den isländischen Beitrag von Christoph Büchel auf der Venedig-Biennale. Auch hier wurde die Offenheit der Menschen vor dem Fremden getestet. Eine alte unbenutzte Kirche wurde temporär zu einer Moschee umfunktioniert, in die Muslime zum Beten eingeladen wurden. Kurz danach wurde die Aktion von der Stadt abgebrochen. Wie sehr darf Kunst provozieren?
2006 habe ich mit meiner Installation "Islamic Chapel" in Bischofsheim ein ähnliches, transreligiöses Gebilde aus Kapelle und Moschee konstruiert und dafür auch einen Preis bekommen. Provozieren ist gut, aber nur zu einem bestimmten Maß. Man muss vor der Kultur und der Religion Respekt haben, trotzdem kann man Fragen in den Raum stellen, um Probleme zu verarbeiten. So arbeite ich, auf eine harmonisch provozierende Art. Im Fall von "The Mosque" finde ich schade, was passiert ist. Der Künstler hat im Rahmen eines Kunstprojekts Muslime zum Beten eingeladen. Das hat auch zu einem Dialog beigetragen, da die Muslime vielleicht zum ersten Mal den Boden einer Kirche betreten haben. Leider war die Stadt mal wieder nicht offen genug.